MUSICA OBLITA

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Konzert für Klavier und Orchester C-Dur op. 32

Wann genau das Konzert C-Dur für Klavier und Orchester entstanden ist, ist nicht bekannt. Es dürfte jedoch spätestens 1803 fertig vorgelegen haben. Denn in den ab Januar 1804 von Eberl veranstalteten Konzerten in Wien spielte der Komponist nach damals gängiger Praxis sein neuestes Werk, das Konzert Es-Dur op. 40. Zu diesem Zeitpunkt war das C-Dur-Konzert also nicht mehr das neueste. Möglicherweise hat Eberl es bereits 1798 in Petersburg gespielt; darauf verweist jedenfalls die Polemik eines Wiener Rezensenten, der Eberl gegen den Vorwurf, dass er das ebenfalls in C-Dur stehende Erste Klavierkonzert Beethovens plagiiert habe, verteidigt:

Nun weiss aber Ref. zwar zufällig, aber ganz gewiss, und E.[berl] wird es sehr leicht beweisen können, dass Eberl dieses Konzert, welches er schon früher komponirte, zu Anfang des Jahres 1798 öffentlich zu Petersburg mit grossem Beyfalle spielte, also mehrere Jahre früher, als ein Beethovensches Konzert aus C. öffentlich erschienen, oder auch nur im geringsten bekannt war. Zumal war E.[berl] schon mehrere Jahre in Petersburg, und konnte also schlechterdings von dem B.[eethove]n Konzerte aus C dur gar keine Kenntnisse haben.[1]

Nun beruht die ganze Angelegenheit mutmaßlich auf einer Verwechslung, da Eberl auch bei dem hier in Frage stehenden Konzert in Prag vom März 1806[2] nicht sein Konzert in C-Dur, sondern das in Es-Dur gespielt haben dürfte.[3] So nimmt es nicht Wunder, dass ein Wiener Rezensent anlässlich einer Aufführung von Beethovens  Klavierkonzert op. 15 im Sommer 1806 seinem Befremden darüber Ausdruck verleiht, wie man Ähnlichkeiten von Eberls C-Dur-Konzert mit Beethovens Konzert in der gleichen Tonart habe feststellen können:

Wie übrigens Jemand eine Aehnlichkeit zwischen diesem und dem Eberlschen Konzerte aus C dur finden könne, ist Refer. völlig unbegreiflich, da diese Werke, so vortrefflich sie auch beyde sind, doch in der Erfindung und Ausführung bis ins kleinste Detail sich unterscheiden; und überhaupt eine geringe Beobachtung den ganz verschiedenen Gang dieser beyden grossen und eigenthümlichen Talente entdeckt.[4]

Aber von dieser Auseinandersetzung ist die Information, dass Eberl ein eigenes Klavierkonzert in C-Dur bereits zu Anfang 1798 in St. Petersburg gespielt haben soll, nicht betroffen. Jedoch hilft auch diese Nachricht nicht viel weiter, da Eberl mindestens ein weiteres, seiner Zeit nicht im Druck erschienenes Konzert in C-Dur verfasst hat, das wahrscheinlich 1793 entstanden ist und heute als w.o.n. 9[5] gezählt wird. Es bleibt also unklar, welches seiner Konzerte Eberl Anfang 1798 in St. Petersburg gespielt hat.

Als Eberl am 1. Mai 1806 in Weimar gastierte, machte er offenbar eine Ausnahme von der Regel, dem Publikum sein jeweils neuestes Klavierkonzert vorzustellen. Das hatte einen plausiblen Grund, denn die Widmungsträgerin seines Klavierkonzertes in C-Dur op. 32 war die Erbprinzessin Maria Pavlovna von Sachsen-Weimar (1786-1859), die Eberl sicherlich noch aus seiner Zeit in Petersburg kannte. Das in Weimar erscheinende Journal des Luxus und der Moden ist voll des Lobes über die Konzertkomposition:

Auf die Szene aus den Horaziern folgte ein Clavier-Concert, seiner hohen Gönnerin, Ihro kaiserl. Hoheit, unserer Frau Erbprinzessin, gewidmet, das von dem Verfasser selbst meisterhaft und fertig vorgetragen wurde. Sein schön gewähltes Thema war überall vollendet durchgeführt, und selbst in den entferntesten Passagen hörbar. An der reichen Instrumentirung, besonders der Blasinstrumente, den lebhaften geschmackvollen Verzierungen, erkannten wir den geliebten Schüler Mozarts, an der Fülle und Neuheit der Gedanken und ihrer kunstvollen Verarbeitung, an den frappanten überraschenden, doch nicht regellosen Uebergängen, den originellen Denker und tiefen Kenner der weit umfassenden Harmonie. Unverkennbar war dies in der mit so vieler Kunst ausgestatteten langen Cadenz.[6]

Ein halbes Jahr zuvor, im Dezember 1805, war das Konzert im Leipziger Bureau de Musique von Ambrosius Kühnel erschienen.[7] Am 13. Februar 1806 erklang das Werk auch im Leipziger Gewandhaus, am Klavier Elisabeth Catharina Müller, die Gattin des Thomaskantors August Eberhard Müller. Auch vor dem Forum der gestrengen Leipziger Kritik in Gestalt des Herausgebers der Allgemeinen musikalischen Zeitung, Friedrich Rochlitz, hatte das Werk Bestand:

Wir freuen uns, bey diesem Werke des Hrn. Eberl in das ausgezeichnete Lob der Wiener einstimmen zu können. Das ganze Konzert hat einen wohl überdachten Plan, eine natürliche Folge der Ausführung, in jedem Sinne des Wortes; ist frey von Ziererey und Verschrobenheit, und doch sehr effektvoll; vieles darin ist auch neu, überraschend und pikant. Das erste Allegro ist brillant und trefflich durchgeführt, das Adagio sehr ausdrucksvoll in seinen fliessenden Melodieen, das Finale hat zwar einzelne zerstückelte und gesuchte Stellen, doch hat der Verfasser damit, im Vergleich mit vielen andern neuen Instrumentalstücken dieser Gattung, noch sehr gut Maass gehalten. Dabey ist das ganze Konzert sehr gut instrumentirt und für den Spieler äusserst vortheilhaft. Dieser muss aber auch ein tüchtiger Virtuos seyn, nicht blos ein fertiger Spieler! Mad. Müller trug vornämlich den ersten und dritten Satz meisterlich, und ganz besonders alle die schwierigen Passagen derselben, wirklich zum Bewundern vor. Auch verdient wol die von ihrem Gemal zum ersten Satze geschriebene Cadenza, die mit grosser Gewandtheit und guter Kunst den ganzen Satz in nuce nochmals der Phantasie des Zuhörers vorführt – so wie die meisterhafte Ausführung derselben durch die Virtuosin, einen lauten Dank. Das Publikum nahm Komposition und Spiel mit ausgezeichnetem Beyfall auf.[8]

Das Werk wurde vereinzelt auch nach Eberls Tod noch gespielt. Es diente sogar als Schaustück im Rahmen der Präsentation eines Wunderkindes, wie einer Meldung der Allgemeinen musikalischen Zeitung aus dem Jahr 1810 zu entnehmen ist:

Ein Concert auf dem Pianoforte von Eberl (C dur) wurde von Fräulein Henriette Paris, 12 Jahr alt, Schülerin der blinden Klavierspielerin Therese Paradies, mit einer Kraft und Sicherheit vorgetragen, welche man von ihrem Alter nicht erwarten sollte.[9]

Auch in Leipzig vergaß man das Konzert nicht; noch am 11. Dezember 1817 erklang es im Rahmen eines Gewandhauskonzertes mit dem späteren Gewandhauskapellmeister Christian August Pohlenz am Pianoforte.[10]

Bert Hagels

[1] „Wien, d. 22sten Juny“, in: Allgemeine musikalische Zeitung [im Folgenden: AmZ] VIII (1805/06), Sp. 654-656; hier Sp. 656. Hervorhebungen original.

[2] Vgl. „Wien, den 20sten März“, in: AmZ VIII (1805/06), Sp. 425-427; hier Sp. 427.

[3] Die inkriminierte Prager Rezension hatte keineswegs von einem Konzert Eberls in C-Dur gesprochen: „Die Komposition des Pianofortekonzerts, welches er sodann spielte, hat wenig oder gar keine Originalität; überall blickt Beethovens meisterhaftes Konzert in C. hervor, das Hrn. E. sowohl im Plane als den Passagen zum Vorbild gedient zu haben scheint.“ „Ueber Tonkunst in Prag“, in: AmZ VIII (1805/06), Sp. 537-544; hier Sp. 540.

[4] „Wien, d. 2ten Aug.“, in: AmZ VIII (1805/06), Sp. 728-730; hier Sp. 729.

[5] Zählung nach: A. Duane White, The Piano Works of Anton Eberl, Ph. D. University of Wisconsin 1971, S. 322.

[6] „Capellmeister Eberl’s Concert in Weimar“, in: Journal des Luxus und der Moden 21 (1806), S. 315f. Mit der Szene aus „den Horaziern“ ist eine Szene und Arie aus „Gli orazi ed i curiazi“ gemeint, einer Opera seria, die im Artikel Giovanni Paisiello (1740-1816) zugeschrieben wird; in Wahrheit dürfte aber die Vertonung durch Domenico Cimarosa (1749-1801) gemeint sein.

[7] Ich danke Herrn Axel Beer (Mainz) für die Mitteilung des genauen Erscheinungsdatums.

[8] „Musik in Leipzig (Neujahr bis Ostern)“, in: AmZ VIII (1805/06), Sp. 433-448; hier Sp. 436f. Hervorhebungen im Original.

[9] „Wien, den 5ten Jun.“, in: AmZ XII (1810), Sp. 604-608; hier Sp. 607f. Henriette Paris trat im Konzert des Flötisten Joseph Gebauer am 19. Mai 1810 im Augartensaal in Wien auf.

[10] Vgl. die beiden Exemplare des Programmzettels im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig, Signaturen: MT/540/2002 und MT/511/2002; „Leipzig“, in: AmZ XX (1818), Sp. 37-39; hier Sp. 38; „Concerte in Leipzig“, in: Leipziger Kunstblatt, insbesondere für Theater und Musik 1 (1817/18), S. 211-212, hier S. 212.

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