MUSICA OBLITA

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Bernhard Romberg (1767-1841)

Zu Anfang des 19. Jahrhunderts gefeiert als exzellenter Virtuose auf dem Violoncello und anerkannt als einer der wichtigsten zeitgenössischen Komponisten drohte Bernhard Romberg schon gegen Ende seines Lebens als veraltet und sich selbst überlebt habend zu gelten. 

Zu Beginn des Jahrhunderts überschlug sich die Presse in Elogen und Superlativen: Er sei als „Komponist und Kunstkenner der erste Violonzellspieler auf dem Erdboden“ (Hamburg 1801)[1], man sah in ihm den „trefflichsten aller jetztlebenden Violoncellisten“ (Berlin 1805)[2], er galt als „einer der trefflichsten Komponisten und als der vollkomenste aller jetzt lebenden Cellisten[3], als „der erste und größte Virtuos auf seinem Instrument“, der auch als Komponist „sehr bedeutend“ sei[4] (Leipzig 1807). 

Drei Jahrzehnte später fällt das Urteil gemischter aus; im 1838 erschienenen sechsten Band von Gustav Schillings „Encyclopädie der gesammten musikalischen Wissenschaften“ ist Rombergs Bedeutung als Cellist zwar über jeden Zweifel erhaben: Romberg sei „der Nestor u. Schöpfer unsers heutigen Violoncellspiels u. unbestritten auch der erste, der berühmteste und gediegenste unter allen unsern jetzigen Violoncellisten.“ Auch seine Kompositionen seien „ein Gemeingut der gesammten musikalischen Welt geworden. Sind sie doch auch durchschnittlich die besten, welche wir jetzt für Violoncell haben.“ Die Auszeichnung gelte jedoch nur für Rombergs Kompositionen für Violoncello, „denn nur in Beziehung auf dieses Instrument erscheint Bernh. Romberg als ein wahrhaft großer Künstler.“ Seine Kompositionen für Gesang und insbesondere seine Opern hingegen seien „unbedeutend“ und hätten „keinen sonderlichen Beifall finden“ können.[5] 

Ähnlich heißt es in der zweiten Auflage von August Gathys „Musikalischem Conversations-Lexikon“ über Rombergs Cellospiel: „Seine Virtuosität ist weltberühmt, was jede Charakterisirung überflüssig macht.“ Aber hinsichtlich seiner Fähigkeiten als Komponist wird nun ebenfalls differenziert zwischen Vokal- und Instrumentalmusik: „Auch als Komponist versuchte er sich in allen Stilen; doch fanden seine Bühnenkompositionen weniger Beifall als seine Meisterwerke für das Violoncell.[6] 

Doch auch sein Cellospiel geriet gegen Ende seines Lebens in die Kririk. Als er im Februar 1840 ein letzes Mal Paris besuchte und dort öffentlich auftrat, resümierte der Lexikograph und Kritiker François-Joseph Fétis mit spitzer Feder, dass „nichts mehr von dem schönen Talent vorhanden war, das ich 38 Jahre vorher in Paris bewundert habe. Schwacher Ton, furchtsames Spiel, zweifelhafte Intonation [...].“[7] Im Übrigen schätzt auch Fétis Romberg als Komponisten für das Violoncello: „Rombergs Verdienst in seinen Kompositionen für Violoncello ist nicht geringer als sein Talent als Virtuose“; seine Konzerte seien Beispiele eines Stils, der „edel und brillant zugleich“ sei. Mit weniger Glück habe Romberg sich in anderen Gattungen der Instrumentalmusik und auf dem Gebiet der Oper versucht; „diese Werke stehen jedoch weit unter denen, die er für sein Instrumernt hervorgebracht hat.“ 

In ähnlichem Sinne schrieb August Reissmann 1877 über Rombergs Bedeutung: „Wie R. seiner Zeit als Virtuose glänzte, so hat er sich auch durch eine große Anzahl von Compositionen, die durch Stil und Art vielfach als Studienwerke benutzt wurden, den Nachkommenden in Erinnerung gehalten.[8] An dieser Wertung hat sich bis zum heutigen Tag nicht viel geändert. Ein Blick in aktuelle Verlagskataloge zeigt, dass Rombergs Kompositionen für Violoncello – wenn auch vornehmlich in didaktischer Hinsicht – nach wie vor präsent  sind. Dabei wird freilich übersehen, dass Rombergs nicht für das Violoncello verfasste Instrumentalkompositionen (und insbesondere seine Symphonien) keineswegs sofort der Vergessenheit anheim fielen, sondern sich über einige Jahrzehnte im Repertoire zu behaupten vermochten, bevor der Typus der Beethovenschen Symphonie alle anderen symphonischen Konzeptionen von den Konzertprogrammen verdrängte. 

Bernhard Romberg entstammt einer vornehmlich im nordwestdeutschen Raum wirkenden Musikerdynastie, deren Mitglieder über Jahrzehnte hinweg die Hofkapelle der Fürstbischöfe von Münster in Westfalen prägten. Bernhards Großvater Balthasar Joachim, dessen Lebensdaten unbekannt sind, soll Militärmusiker gewesen sein; sein Onkel Gerhard Heinrich (1745-1819) und sein Vater Bernhard Anton (1742-1814) traten 1772 bzw. 1773 in die Hofkapelle Fürstbischof Maximilian Friedrichs von Münster (in Personalunion auch Kurfürst und Erzbischof von Köln mit Sitz in Bonn) ein. 

Die ersten dreißig Jahre seines Lebens verbrachte Bernhard Seite an Seite mit seinem um ein halbes Jahr älteren Cousin Andreas Romberg (1767-1821), dem ältesten überlebenden Sohn Gerhard Heinrichs. Beide waren Wunderkinder auf ihren Instrumenten, Andreas auf der Violine und Bernhard auf dem Violoncello. Ihre Väter verstanden es, ihre Talente öffentlichkeitswirksam in Szene zu setzen; nach dem Debut 1774 in Münster wurden ausgedehnte Konzertreisen unternommen, wobei die Cousins als „die jüngeren Brüder Romberg“ präsentiert wurden; belegt sind Auftritte in Amsterdam 1775, in Leipzig 1780, in Frankfurt/Main 1782 und in den Pariser Concerts spirituels 1784/85. 

Bereits seit 1782 gehörten sie offiziell der Münsteraner Hofkapelle an. Nachdem sie im Sommer 1788 vorübergehend in der kurkölnischen Hofkapelle gespielt hatten, wurden sie im November 1790 fest in Bonn engagiert. Dort versammelte sich damals eine Elite junger Musiker, die später zu Berühmtheit gelangen sollten: Ludwig van Beethoven wirkte bis zu seinem Weggang nach Wien im November 1792 als Organist und Bratschist in der Hofkapelle, ferner der Neffe des Instrumentalmusik-Direktors Joseph Reicha, Anton (1770-1836), der später als Professor am Pariser Konservatorium der Lehrer von Hector Berlioz sein sollte, weiterhin die Mitglieder der Familie Ries; Ferdinand Ries (1784-1838), dem ältesten Sohn von Franz Anton Ries und später der einzige, dem Beethoven erlaubte, sich seinen Schüler zu nennen, gab Bernhard Romberg Unterricht im Cellospiel. 

In einer 1791 veröffentlichten Mitgliederliste der kurkölnischen Hofkapelle werden sowohl Andreas als auch Bernhard nicht nur als Instrumentalisten, sondern auch als Komponisten geführt[9]; in der Tat komponierte Bernhard 1790/91 drei Singspiele, die in Bonn aufgeführt wurden. Christian Gottlob Neefe (1748-98), Musikdirektor des Bonner Nationaltheaters und Lehrer Beethovens, soll Romberg bereits 1793 „einen wahren Feuerkopf in seinen Kompositionen[10] genannt haben. 

Das musikalische Gipfeltreffen war jedoch nur von kurzer Dauer; 1793 näherten sich die Truppen der französischen Revolutionsarmee dem Kurfürstentum, die Hofkapelle wurde 1794 aufgelöst. Die Cousins Romberg hatten sich im Herbst 1793 nach Hamburg gerettet; dort fanden sie sofort eine Anstellung im Orchester des Theaterdirektors Friedrich Ludwig Schröder. Indes auch hier war ihres Bleibens nicht lang; im Juli 1795 brachen sie gemeinsam zu einer ausgedehnten Konzertreise nach Österreich und Italien auf. 

Im Herbst 1796 trafen sie von Rom kommend in Wien wieder auf Beethoven, der in ihren Wiener Konzerten mitwirkte; bei dieser Gelegenheit spielte Bernhard Romberg den Cellopart der beiden Sonaten op. 5 von Beethoven. 

Nachdem die Cousins im Februar 1797 nach Hamburg zurückgekehrt waren, trennten sich im Frühjahr 1799 ihre Lebenswege: Während Andreas sich langfristig in Hamburg etablierte und 1815 Hofkapellmeister in Gotha wurde, führte Bernhard ein unstetes Wanderleben als reisender Virtuose, den es trotz manch ehrenvoller Anstellung nie lange an einem Orte hielt. Er reiste nach London, dann weiter nach Spanien und Portugal; das Frühjahr 1800 fand ihn in Paris. Im August 1800 ist er zurück in Hamburg, am 4. Oktober  heiratet er dort Anna Catharina Ramcke, die Tochter eines umtriebigen Hamburger Unternehmers. 

Noch einmal brachen Andreas und Bernhard Romberg gemeinsam zu einer Reise auf, im Winter 1800/01 sind sie beide in Paris für eine Konzertsaison engagiert. Während Andreas jedoch schon im April 1801 nach Hamburg zurückkehrte, wurde Bernhard zum Professor für Violoncello am Pariser Konservatorium ernannt und blieb vorerst in der französischen Hauptstadt. Ende 1802 gibt er die Pariser Professur auf und kehrt zurück nach Deutschland; in Hamburg wird am 14 Dezember 1803 das älteste Kind des Ehepaars Romberg, die Tochter Bernhardine, geboren. 

Im Mai 1804 ist er in Berlin, gibt Konzerte und tritt 1805 in die königlich-preußische Hofkapelle ein. 1808 lässt er sich als Quartettspieler des Fürsten Kinsky in Wien gewinnen, tritt die Stelle aber nicht an, weil er vom König nicht aus preußischen Diensten entlassen wird. Stattdessen begibt er sich 1809 für mehrere Jahre nach Russland; er lässt sich vorübergehend in Moskau nieder, dort wird am 17. Januar 1811 sein Sohn Karl geboren, und gibt regelmäßig Konzerte in St. Petersburg; gelegentlich macht er Abstecher ins Baltikum und nach Schweden. 

Das Jahr 1814 findet ihn wieder in Berlin; dort lernt er Carl Maria von Weber kennen, mit dem er um die durch den Tod Friedrich Heinrich Himmels erledigte Kapellmeisterstelle konkurriert. Romberg erhielt sie Anfang 1816; Weber ging nach Dresden. Als im Jahr 1819 Gaspare Spontini als preußischer Generalmusikdirektor berufen wurde, gab er die Stelle jedoch wieder auf. Erneut ging er auf Reisen, gastierte in allen größeren Städten des deutschsprachigen Raumes, in Skandinavien und in den Niederlanden. 

1822 gab er allein in Wien vier Konzerte, die ihm die Rekordsumme von 10.000 Gulden eingebracht haben sollen. Vorübergehend wohnt er in Berlin oder Hamburg, aber erst 1831 lässt er sich endgültig in der Hansestadt nieder, nicht ohne noch mehrfach zu kleineren Konzerttourneen aufzubrechen. Zu Beginn des Jahres 1840 ließ er sich – nunmehr über 70 Jahre zählend – noch einmal in Paris hören, nicht sehr erfolgreich, wie die oben zitierte Kritik von Fétis belegt. Bernhard Romberg starb am 13. August 1841 in seinem Wohnort Hamburg, drei Monate vor Vollendung seines 74. Lebensjahrs.

Naturgemäß ist Bernhard Rombergs knapp 80 gezählte Opera umfassendes musikalisches Schaffen zentriert um sein Instrument, das Violoncello. Doch neben 10 Konzerten und ungefähr 50 kleineren Konzertstücken für sein Instrument komponierte Romberg auch ein Flötenkonzert, ein Concertino für zwei Hörner, 11 Streichquartette, ein Klavierquartett und zahlreiche Trios und Duos für verschiedene Streicherbesetzungen. Dazu kommen (neben den bereits erwähnten frühen drei Singspielen) zwei für Berlin geschriebene Opern (Ulysses und Circe, 1807, sowie Rittertreue, 1817) und einige Ballett- und Schauspielmusiken. An reiner Orchestermusik verfasste er, soweit heute in Drucken nachweisbar, zwei Ouvertüren und drei Symphonien; zwei weitere Symphonien werden in einschlägigen Werkverzeichnissen erwähnt, sind aber bis heute nicht identifiziert. Die 1836 im Druck erschienene Kindersymphonie C-Dur op. 62 wird man nicht zu den im eigentlichen Sinne symphonischen Werken rechnen können.

Bert Hagels

Trauer-Symphonie c-Moll op. 23; Ries & Erler, Berlin

CD: Kölner Akademie / Michael Alexander Willens (ars)

Symphonie Nr. 2 Es-Dur op. 28: Ries & Erler, Berlin

CD: Kölner Akademie / Michael Alexander Willens (ars)

Symphonie Nr. 3 C-Dur op. 53: Ries & Erler, Berlin

CD: Kölner Akademie / Michael Alexander Willens (ars)

[1] Allgemeine musikalische Zeitung [im Folgenden: AmZ] III (1800/01), Sp. 609.

[2] AmZ VII (1804/05), Sp. 338.

[3] AmZ IX (1806/07), Sp. 543.

[4] Journal des Luxus und der Moden [im Folgenden: JLM] 22 (1807), S. 506f.

[5] Gustav Schilling (Hrsg.): Encyclopädie der gesammten musikalischen Wissenschaften, oder Universal-Lexicon der Tonkunst, 6 Bde., Stuttgart 1835-38, Bd. 6, S. 41f.

[6] August Gathy (Hrsg.): Musikalisches Conversations-Lexikon. Encyklopädie der gesammten Musik-Wissenschaft für Künstler, Kunstfreunde und Gebildete, 2Hamburg 1840, S. 383.

[7] François-Joseph Fétis, Art. „Romberg (Bernard)“, in: Biographie universelle des musiciens VII, 2Paris 1883, S. 303. Französisches Original: „[...] qu’il n’existait plus rien du beau talent que j’avais admiré à Paris trente-huit ans auparavant. Un son faible, un jeu timide, des intonations douteuse [...].“

[8] Hermann Mendel/August Reissmann (Hrsg.): Musikalisches Conversations-Lexikon. Eine Encyklopädie der gesammten musikalischen Wissenschaften, Bd. 8, Berlin 1877, S.  404.

[9] „Kurfürstlichköllnische Kabinets-Kapell- und Hofmusik. 1791“, in: Musikalische Korrespondenz der teutschen Filarmonischen Gesellschaft für das Jahr 1791, S. 220-221.

[10] So überliefert es jedenfalls Ernst Ludwig Gerber, in: Ders., Neues Historisch-Biographisches Lexikon der Tonkünstler, 4 Bde., Leipzig 1812-14, Bd. 3, Sp. 909.

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