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Johann Wilhelm Wilms (1772-1847) |
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Geboren wurde Johann Wilhelm Wilms in dem zu Ende des 18. Jahrhunderts kaum 1.000 Einwohner zählenden Dorf Witzhelden im Bergischen Land, ca. 25 km nordöstlich von Köln.[1] Ersten Musikunterricht erhielt der junge Wilms von seinem Vater, dem Lehrer und Organisten des Dorfes, und seinem älteren Bruder Peter Johann. Kenntnisse in theoretischen Fächern vermittelte ihm der Dorfpfarrer, dem er als Jugendlicher nach Lüttringhausen (heute Teil der Stadt Remscheid) folgte, um sich als Musiklehrer niederzulassen. Bereits kurze Zeit später siedelte er nach Elberfeld über, nun auf den Spuren seines älteren Bruders Peter Johann, der im Sommer 1789 zum Lehrer der dortigen lutherischen Pfarrschule berufen worden war. Doch auch hier war seines Bleibens nicht lange; der in Elberfeld herrschende asketische und kunstabgeneigte calvinistische Geist der Fabrikanten und Kaufleute erlaubte allenfalls Musizieren in privaten Zirkeln, ein öffentliches Musikleben existierte nicht. Im Sommer 1791 wandte Wilms sich nach Amsterdam, das im Laufe des 18. Jahrhunderts zu einem der bevorzugten Ziele durchreisender Virtuosen und zu einer Zentrale des europäischen Musikdruckes und Musikalienhandels geworden war. Offenbar mit Empfehlungsschreiben versehen schloss Wilms alsbald Bekanntschaft mit den führenden Persönlichkeiten des Amsterdamer Musiklebens; bereits in der Saison 1791/92 wurde er von mehreren Orchestern als zweiter Flötist engagiert, vermutlich auch im Orchester der seiner Zeit wichtigsten Institution des Amsterdamer kulturellen Lebens, der Maatschappij (Gesellschaft) Felix Meritis, die 20 Konzerte je Saison veranstaltete. Ebenso als Klaviervirtuose und –pädagoge vermochte er schnell sich einen Namen zu machen. Zwecks eigener Weiterbildung gewann er den aus Sachsen gebürtigen Violinisten, Pianisten und Komponisten Johann Casper Hodermann (1740-1802) als Theorielehrer. Um 1793 erschien seine erste (heute offenbar verlorene) Klaviersonate im Druck.[2] Im Jahr 1796 gehörte Wilms zu den sechs Gründungsmitgliedern der Vereinigung Eruditio Musica, der ersten hauptsächlich von Berufsmusikern getragenen Konzertgesellschaft in Amsterdam, in deren Veranstaltungen Wilms als Pianist und zunehmend auch als Komponist in Erscheinung trat. Seine Kompositionen begannen über die Grenzen Amsterdams hinaus bekannt zu werden; im Jahr 1798 wurde erstmals ein Werk von ihm in der in Leipzig erscheinenden Allgemeinen Musikalischen Zeitung rezensiert.[3] Die Widmungen der in den folgenden Jahren veröffentlichten Werke belegen, dass Wilms Zugang zu den das Amsterdamer kulturelle Leben tragenden vermögenden Familien hatte. Im Dezember 1805 ehelichte er Nicoletta Theodora Versteegh, die Tochter eines begüterten Kunstsammlers. Er galt nun neben Carolus Antonius Fodor (1768-1846), dem Dirigenten der Konzerte sowohl von Felix Meritis (ab 1801) als auch der Eruditio Musica (seit 1802), als bedeutendster Pianist und Komponist Amsterdams; seine Werke wurden zunehmend auch in den deutschsprachigen Ländern gespielt. 1808 wurde er in das gerade gegründete Koniklijk Instituut van Wetenschappen, Letterkunde en schoone Kunsten gewählt. Ähnlich wie gleichzeitig Beethoven in Wien erreichte er in dem den Befreiungskriegen gegen Napoléon folgenden patriotischen Überschwang einen fragwürdigen Höhepunkt seiner Laufbahn als Komponist durch die preisgekrönte Komposition zweier Nationallieder, deren eines (Wien Neêrlandsch bloed) im Verlauf des 19. Jahrhunderts zur inoffiziellen Hymne der Niederlande wurde. Dieser Erfolg brachte Wilms weitere Aufträge für kirchliche Werke, Almanach-Beilagen und Festkompositionen zu offiziellen Anlässen ein. Im Jahr 1820 erhielt er für seine Sinfonie d-Moll op. 58 den ersten Preis in einem von der Akademie der Künste in Gent ausgerichteten Kompositionswettbewerb. Trotz seines derart angewachsenen Renommés als Komponist gelang es ihm jedoch nie, Orchestertätigkeit und Klavierunterricht zu Gunsten eines Lebens als freier Komponist aufzugeben. Einige Zeit - bezeugt ist es für die Jahre 1814 und 1815, möglicherweise war er aber auch 1816-17 noch tätig - schrieb er als Amsterdamer Korrespondent Berichte für die Allgemeine Musikalische Zeitung[4] Seinen eigenen Worten zu Folge waren seine musikalischen Werke „nur Früchte der Stunden [...], welche ihm nach seinen vielfältigen und ermüdenden Tagesgeschäften übrig blieben.“[5] Und dem im Herbst 1823 in Amsterdam gastierenden Kollegen Johann Nepomuk Hummel gegenüber äußerte er: „Ich bin nur ein armer musikalischer Tagelöhner.“[6] Zu Beginn der 1820er Jahre verdunkelten Schicksalsschläge sein Leben: Nachdem seine Frau Nicoletta Theodora im Sommer 1821 ein totes Kind zur Welt gebracht hatte, verstarb sie wenige Wochen später, gerade 35jährig; im Jahr darauf musste Wilms eine zweieinhalb Jahre alte Tochter und seinen Freund und Schwiegervater Dirk Versteegh zu Grabe tragen. Diese Erfahrungen mögen dazu beigetragen haben, dass Wilms sich schrittweise aus der musikalischen Öffentlichkeit zurückzog und seine berufliche Existenz mit der Übernahme der Organistenstelle bei der Mennonitischen Gemeinde Het Lam zum 01. August 1823 auf eine andere Basis stellte. In der ersten Jahreshälfte 1823 hatte er zum letzten Mal dem Felix Meritis-Orchester als Pianist und zweiter Flötist zur Verfügung gestanden, und die Eruditio musica löste sich auf Grund interner Schwierigkeiten nach Ablauf der Spielzeit 1823/24 auf. Auch als Komponist zog sich Wilms allmählich zurück; die 1823 in Leipzig veröffentlichte Sinfonie op. 58 war sein letztes großes Orchesterwerk, das im Druck erschien. Er konzentrierte sich in der Folgezeit auf die Komposition von zumeist nicht publizierten Gelegenheitswerken, etwa für die Jahresversammlungen der philanthropischen Maatschappij tot Nut van’t Algemeen (Gesellschaft zum Nutzen der Allgemeinheit), für die er zwischen 1824 und 1838 alljährlich eine Kantate für Soli, Chor und Orchester schrieb. Im Druck erschienen nach 1823 nur mehr einzelne Klaviervariationen, Lieder und – insbesondere zur Zeit der Belgischen Revolution 1830 – patriotische Gesänge. Zunehmend verschwanden seine Werke auch von den Konzertprogrammen; in Leipzig, wo seine Sinfonien im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts so reges Interesse geweckt hatten, erklang nach 1820 kein Werk von Wilms mehr, und selbst in Amsterdam, wo die Aufführungszahlen seiner Werke in den 1820er Jahren noch die Beethovenscher Kompositionen übertroffen hatten[7], erlosch allmählich das Interesse an seiner Musik, zumal 1830 sein Zeitgenosse Carel Anton Fodor das Dirigentenamt bei Felix Meritis abgegeben hatte, und dessen Nachfolger Johannes Bernhardus van Bree wenig Interesse an Kompositionen der älteren Generation zeigte. Den letzten Bruch mit dem offiziellen Amsterdamer Musikleben vollzog Wilms selbst im Jahr 1841, als er seine Mitarbeit in der Maatschappij tot Bevordering der Tonkunst (Gesellschaft zur Beförderung der Tonkunst) aufkündigte, deren Mitglied er seit ihrer Gründung 1829 gewesen war, und für die er ebenso akribisch wie selbstkritisch Gutachten schrieb.[8] Seit ca. 1845 von zunehmender Erblindung geplagt ließ er sich auch im Organistenamt immer häufiger durch einen seiner Schüler vertreten; ein Jahr später wurde er von der Kirchengemeinde offiziell pensioniert. Am 19. Juli 1847 starb er im Alter von 75 Jahren. Bert Hagels |
Sinfonie C-Dur op. 9: Ries & Erler, Berlin |
Sinfonie c-Moll op. 23: Ries & Erler, Berlin |
Sinfonie D-Dur op. 52: Ries & Erler, Berlin |
Konzert für Klarinette und Orchester B-Dur op. 40: Ries & Erler, Berlin |
Ouvertüre D-Dur: Ries & Erler, Berlin |
Ouvertüre Es-Dur: Ries & Erler, Berlin |
Concert-Ouvertüre Es-Dur: Ries & Erler, Berlin |
Concert-Ouvertüre E-Dur: Ries & Erler, Berlin |
[1] Vgl. Ernst A. Klusen, Johann Wilhelm Wilms. Leben und Werk, Buren 1975, S. 6. Die folgende Kurzbiographie folgt Klusen.
[2] Ernst Ludwig Gerber, Neues historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler, Leipzig 1812–1814, Bd. 14, Sp. 585.
[3] Variationen für Flöte und Klavier über Nel cor più [...], in: Allgemeine Musikalische Zeitung [im Folgenden: AMZ] I (1798/99), Sp. 106f.
[4] Vgl. den Brief von Wilms an die Redaktion der AMZ vom 15. April 1815, als Faksimile und in Übertragung bei Klusen, op. cit., S. VI-VIII; dazu: Klusen, op. cit., S. 15 und S. 122, Anm. 124 bis 127.
[5] Übersetzung vom Herausg.; niederländisches Original: „slechts de vruchten [...] der uren, welke hem, na zijne veelvuldige en vermoeijende dagelijksche bezigheden, overig bleven.“ Zitiert nach Klusen, op. cit., S. 121, Anm. 123.
[6] Zitiert nach Klusen, op. cit., S. 17.
[7] Vgl. Klusen, op. cit., S. 18, und S. 126, Anm. 152.
[8] Vgl. Klusen, op. cit., S. 36f.
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