MUSICA OBLITA

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Ferdinand Ries (1784-1838)

Ferdinand Ries entstammt einer musikalischen Famile, die seit den Zeiten seines Großvaters Johann (1723-1784) mit der kürkölnischen Hofkapelle in Bonn verbunden war; der Vater Franz Anton (1755-1846) glänzte als Wunderkind auf der Geige und bekam im Alter von 11 Jahren eine Anstellung in der Hofkapelle. Ferdinand Ries (1784-1838)Er unterrichtete den jungen Beethoven, dem er besonders in der Zeit nach dem Tode von dessen Mutter (1787) unterstützend zur Seite stand.

Ferdinand Ries' Leben kann als Musterbeispiel für die unsichere und gefährdete Existenz eines Musikers und Komponisten im Zeitalter der revolutionären Wirren und Napoleonischen Kriege gelten.

Er erhielt Klavier- und Violinunterricht von seinem Vater, im Violoncellospiel wurde er von dem seinerzeit berühmten Virtuosen Bernhard Romberg (1767-1841) unterwiesen. Da die Bonner Hofkapelle 1794 im Gefolge der Revolutionskriege aufgelöst wurde, blieb dem jungen Ferdinand die Karriere seines Vaters verwehrt; dennoch verbrachte er die folgenden sieben Jahre zum größten Teil in Bonn bei seinem Vater. 

Nach einem längeren Aufenthalt in München traf er um 1801 - mit einem Empfehlungsschreiben seines Vaters versehen - in Wien bei Beethoven ein. Dieser empfing ihn nach Ries' eigener Erzählung herzlich. Ries erhielt Klavierunterricht und diente Beethoven als eine Art Privatsekretär. Für ein Konzert im Wiener Augarten am 1. August 1804 überließ Beethoven dem noch nicht 20jährigen Ries den Part des Solisten in seinem 3. Klavierkonzert op. 37, wofür Ries eine eigene Kadenz schreiben durfte. 

Die Lehrzeit bei Beethoven endete abrupt im Herbst 1805, als Ries in seiner Eigenschaft als Bürger des französisch besetzten Bonn zum Militär eingezogen wurde. Nachdem Ries über Prag, Dresden und Leipzig nach Koblenz ins Hauptquartier der französischen Armee gekommen war, wurde er jedoch für untauglich befunden und blieb daraufhin für über ein Jahr in Bonn bei seiner Familie. Schon 1806 war sein op. 1 erschienen, zwei Klaviersonaten mit einer umständlichen, französisch verfaßten Widmung an Beethoven. 

Anfang 1807 versucht Ries sein Glück in Paris; ist aber so erfolglos, daß er zeitweise mit dem Gedanken spielt, den Musikerberuf aufzugeben und - durch Vermittlung eines einflußreichen Freundes - in den Staatsdienst zu treten. Um einige bittere Erfahrungen reicher kehrt Ries im August 1808 nach Wien zurück. Er nimmt zwar erneut Kontakt mit Beethoven auf; doch es kommt zu Differenzen zwischen ihnen aufgrund der Beethoven wie auch angeblich Ries angebotenen Stelle des Kapellmeisters des Königs von Westfalen, Jerôme Bonaparte, in Kassel. Die Stelle erhielt letztlich keiner von beiden. 

Im Juli 1809 verläßt Ries plötzlich Wien; er soll wieder vom Militär, diesmal dem österreichischen, eingezogen werden; der Sieg Napoleons wendet diese Gefahr jedoch ab. Erneut zieht sich Ries für etwa ein Jahr in seine Heimatstadt Bonn zurück; hier komponiert er seine erste Sinfonie und sein einziges Violinkonzert

Ende 1810 tritt Ries eine Reise nach Rußland an, wo er nach einem sechsmonatigen Aufenthalt in Kassel über Hamburg, Kopenhagen und Stockholm im August 1811 anlangt. In St. Petersburg trifft er auf seinen alten Lehrer Bernhard Romberg und unternimmt mit diesem zusammen eine Konzertreise. Doch wieder kommt ihm das Militär in Gestalt von Napoleons Rußlandarmee störend in die Quere. Um die Jahreswende 1812/13 verläßt er deshalb Rußland und wendet sich nach Stockholm, wo er einige Konzerte gibt und Mitglied der dortigen königlichen Akademie der Musik wird, eine Auszeichnung, auf die Ries noch Jahre später stolz verwies. Mittlerweile waren über 30 seiner Werke im Druck erschienen, vornehmlich bei seinem alten Bonner Bekannten Simrock - darunter auch ein Klavierkonzert und seine erste Sinfonie im Jahr 1811; er hatte sich im deutschsprachigen Raum einen Ruf als "junger Mann von Talent und als rüstiger Klavierspieler, aus Beethovens Schule" (so eine Kritik aus dem Jahr 1807[ 1 ]) erworben; seine erste Sinfonie war im Leipziger Gewandhaus am 4. Oktober 1812 aufgeführt und von der Kritik mit wohlwollenden Worten bedacht worden. 

Dennoch mochte Ries die politische Lage auf dem Kontinent am Vorabend der Befreiungskriege zu gefährlich erschienen sein; unliebsame Erfahrungen mit dem Militär hatte er ja zur Genüge gemacht. Kurzum im Frühjahr 1813 beschließt Ries, nach London zu gehen, wo er im April eintrifft. Dort wird er von Johann Peter Salomon - derselbe, der 20 Jahre vorher Haydn nach London geholt und so Anlaß zur Komposition von dessen Londoner Sinfonien gegeben hatte - in die führenden musikalischen und gesellschaftlichen Kreise eingeführt. 

In London hatte Ries endlich den lang erstrebten Erfolg; er kam als Klavierlehrer bei reichen Bankiers und Kaufleuten in Mode und wurde Mitglied der dortigen Philharmonic Society, deren Direktor er von 1815 bis 1821 war. In seiner Londoner Zeit (1813-1824) schrieb er Fantasien, Variationen und Rondos über bekannte Themen nach dem Geschmack des zeitgenössischen bürgerlichen Publikums, aber auch sechs seiner insgesamt acht Sinfonien. Er dürfte gut verdient haben und konnte es sich leisten, eine Familie zu gründen: am 25. Juli 1814 heiratet er Harriet Mangeon (1796-1863). 

Ferdinand Ries, erste Seite der autographen Partitur der zweiten Sinfonie (Staatsbibliothek zu Berlin-Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohn-Archiv, Signatur: mus. ms. autogr. F. Ries 40N)Ab 1820 traten Zwistigkeiten mit der Philharmonic Society auf. Ries beschwerte sich bei seinen Direktorenkollegen, seine Sinfonien würden zu selten aufgeführt. Im Jahr 1821 legt er das Direktorat nieder und schmiedet Pläne zu einer Rückkehr ins heimische Rheinland. 

Im Juli 1824 setzt er sie in die Realität um und zieht sich mitsamt seiner mittlerweile vierköpfigen Familie für die nächsten drei Jahre in die Abgeschiedenheit von Godesberg zurück. Nun ist er ein wohlhabender Mann, der es sich erlauben kann, verschiedene Stellenangote abzulehnen. Gleichwohl bemüht er sich erfolglos um die Kapellmeisterstellen in München und Dresden, letzteres in der Nachfolge C. M. von Webers. 

Im April 1827 siedelte er nach Frankfurt/Main über, ist aber weiterhin auf der Suche nach einer ihm angemessenen Stellung in der musikalischen Welt. Er erwägt, nach Wien, Paris, Berlin oder zurück nach London zu gehen, bleibt aber - unterbrochen von einigen Reisen - in Frankfurt sesshaft. Seine wichtigste musikalische Tätigkeit in dieser Zeit war die Leitung einiger Niederrheinischer Musikfeste, anläßlich deren er zwei Oratorien komponiert und einige seiner Sinfonien zur Aufführung bringt. Auch die Entstehung seiner drei Opern fällt in sein letztes Lebensjahrzehnt. 

Ab 1830 hat er jedoch zunehmend Probleme, Verleger und Aufführungsgelegenheiten für seine größeren Kompositionen zu finden: Seine letzte Sinfonie (Nr. 7 a-Moll op. 181) blieb zu seinen Lebzeiten unaufgeführt und ungedruckt; an seiner dritten Oper Die Nacht auf dem Libanon WoO 51 fand kaum ein Opernhaus mehr Interesse. Als er am 13. Januar 1838 gerade dreiundfünzigjährig stirbt, war er schon derart in Vergessenheit geraten, dass keine der führenden Musikzeitschriften einen längeren Nachruf publizierte. 

Erst im Jahr 1839 erschien in der von Robert Schumann gegründeten Neuen Zeitschrift für Musik eine Würdigung von Ries' Persönlichkeit und Werk; dort heißt es etwas bilderselig, aber gewiß zutreffend über seine Sinfonik: 

Seine Symphonien, obwohl sie weder Haydn's ewig jugendlichen, göttliche Heiterkeit sprudelnden Schöpfungen, noch Mozart's ätherischen, mit dem Schmerz und der ewigen Sehnsucht getränkten Gebilden an die Seite zu stellen, und ob sie auch mit der himmelstürmenden Kühnheit, dem gigantischen Gedankenfluge Beethoven's, dieses musikalischen Titans, keinen Vergleich ertragen können, werden trotzdem immer zu dem Besten gehören, was die neuere und neuste Zeit in diesem Genre zu Tage gefördert hat.[ 2 ]

Bert Hagels

Systematisches Werkverzeichnis mit Diskographie
 

[ 1 ] Allgemeine musikalische Zeitung IX (1807/08), Sp. 362.
[ 2 ] Carl Koßmaly, Musikalische Charakteristiken, in: Neue Zeitschrift für Musik 11 (1839), S. 57-59; Zitat: S. 59.

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