MUSICA OBLITA

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Anton Eberl (1765-1807)

Anton (Franz Josef) Eberl[1] wurde am 13. Juni 1765 in Wien als Sohn eines wohlhabenden kaiserlichen Beamten geboren. Schon früh muss sich das musikalische Talent des jungen Anton geäußert haben; bereits im Alter von sieben oder acht Jahren trat er in privatem Rahmen als Pianist auf. Klavierunterricht erhielt er wahrscheinlich von Josef Anton Steffan (1726-1797) und/oder Georg Christoph Wagenseil (1715-1777), ab 1778 vielleicht auch von Leopold Koželuh (1747-1818). 

Von seinem Vater gedrängt nahm Eberl Ende der 1770er Jahre ein Jurastudium auf, das er jedoch bald schon wegen dessen finanziellem Bankrott aufzugeben gezwungen war. Hatte er das Klavierspiel schon während des Studiums nicht aufgegeben, so wandte er sich nun vollständig der Musik zu. 

1781 gelangte in Wien das erste Bühnenwerk Eberls, die komische Oper Les Bohémiens, zur Aufführung, der bis Mitte der 1790er Jahre fünf weitere Bühnenwerke folgten, darunter das Singspiel Die Marchande des Modes, das ihm das Lob Glucks eingetragen haben soll. Zwischen 1783 und 1785 komponierte Eberl drei Sinfonien, deren letzte in C-Dur gewisse Ähnlichkeiten mit Mozarts Haffner-Sinfonie (1782) aufweist und noch 1944 als Werk Mozarts im Druck erschien[2]; alsbald stellte sich jedoch heraus, dass es sich um ein Werk Eberls handelt.[3]  

In den Jahren 1784 und 1785, jeweils im März, hatte sich Eberl in von ihm selbst veranstalteten „Akademien“ im Wiener Burgtheater dem Musik liebenden Publikum vorgestellt; möglicherweise hatte er bei einer dieser Gelegenheit Mozart kennen gelernt; ob Eberl auch Mozarts Schüler wurde, ist bis heute nicht geklärt. Jedenfalls erschienen einige der frühen Klavierkompositionen Eberls bis weit ins 19. Jahrhundert hinein unter Mozarts Namen.[4] Zweimal, in den Jahren 1798 und 1805, protestierte Eberl öffentlich gegen diesen Missbrauch seiner Werke und des Namens Mozart durch die Verleger. 

Die Verbindung zur Familie Mozart riß auch nach 1791 nicht ab; unter dem unmittelbaren Eindruck von Mozarts frühem Tod hatte er noch im Dezember 1791 eine Kantate Bey Mozarts Grabe komponiert; und im Winter 1795/96 begleitete Eberl Mozarts Witwe Konstanze und deren Schwester Aloysia Lange auf einer Tournee quer durch Deutschland. 

Zurückgekehrt nach Wien scheint Eberl in der österreichischen Kaiserstadt längerfristig jedoch keine Perspektive für sich und seine Ehefrau Anna Maria, geb. Scheffler, die er am 28. März 1796 geheiratet hatte, gesehen zu haben. Das Ehepaar siedelte kurz nach der Eheschließung nach St. Petersburg über. Zwar gelang es Eberl in der Hauptstadt des Zarenreichs alsbald, sich in höfischen Kreisen einen guten Ruf als Klavierlehrer und Komponist zu verschaffen, wie etliche Werkwidmungen, u.a. an Mitglieder der Zarenfamilie, belegen; nach dreijährigem Aufenthalt kehrte das Ehepaar Ende 1799 jedoch nach Wien zurück. 

In Wien versuchte Eberl erneut, als Komponist von Bühnenwerken zu reüssieren. Seiner Zauberoper Die Königin der schwarzen Inseln (1801) blieb indes durchschlagender Erfolg versagt; das Werk wurde nach acht Vorstellungen abgesetzt. Möglicherweise durch diesen Misserfolg entmutigt wandte er sich noch 1801 erneut nach St. Petersburg, wo er drei viel beachtete Aufführungen von Haydns Oratorium Die Schöpfung leitete. 

Ein Jahr später, im Jahr 1802, ließ sich das Ehepaar Eberl jedoch endgültig in Wien nieder. Nun wendet sich Eberl der Komposition von Instrumentalmusik zu und erlebt einen kometenhaften Aufstieg. Bereits in einem 1802 verfassten Reisebericht wird Eberl als Komponist von Klaviermusik neben Beethoven gestellt:

In Klavierkompositionen sind wohl jetzt Beethoven und Anton Eberl die stärkesten. Beyde haben Neuheit, Feuer und Kraft; beyde strömen von Ideen über, und beyder Werke sind ziemlich schwer zu exequiren, lohnen dann aber auch gewiß die Mühe. Beethoven, um meiner Vergleichungssucht noch einmahl den Zügel schiessen zu lassen, hat, wie mir scheint, mit Jean Paul viele Aehnlichkeit. Beyde zeichnen sich durch sehr vieles Genie, aber doch auch durch sehr viele Sonderbarkeiten und Bizarrerien aus, die man dem Genie verzeihen muß. Eberls Kraft wirkt mehr aufs Ganze, als auf einzelne Theile. Mit feurigem lebenden Kolorite stellt er, wie Klingers Gemählde, mit großen Zügen, kräftige Gestalten vor unsere Seele, die uns mit wunderbarer Macht ergreifen, wenn gleich noch zuweilen zu viele wilde ungezähmte Stärke sichtbar ist.[5]

Ähnlich wie Beethoven in den Jahren nach 1795 scheint auch Eberl sich nunmehr planmäßig die Gattungen der Instrumentalmusik angeeignet zu haben: Dem Durchbruch als Klavierkomponist im Jahr 1802 folgte im  nächsten Jahr der Erfolg als Komponist von Kammermusik: August von Kotzebue berichtet im ersten Jahrgang der von ihm redigierten Zeitung Der Freimüthige oder Berlinische Zeitung für gebildete unbefangene Leser, dass Eberls Klavierquartett C-Dur op. 18 neben Beethovens op. 16 die große musikalische Sensation der Fastenzeit 1803 gewesen sei: Zwar „in einem leichteren Character“ als das Werk Beethovens, dafür „voll feiner, doch tiefer Empfindung, Originalität, Feuer und Kraft, brilliant und imponirend.[6]  

Und im nächsten Jahr folgte der Siegeszug des Orchesterkomponisten Eberl: Am 06. Januar 1804 stellte sich Eberl, „bis jetzt nur durch Klavierkompositionen allgemein bekannt und geschäzt“, wie es in einem zeitgenössischen Bericht hieß[7], in einer „Akademie“ dem Wiener Publikum erstmalig mit Kompositionen für großes Orchester vor, dabei offenbar absichtsvoll die repräsentativen Gattungen der Orchestermusik abdeckend; zur Aufführung kamen die Ouvertüre zur Königin der schwarzen Inseln, das Klavierkonzert Es-Dur op. 40, das Konzert für zwei Klaviere und Orchester B-Dur op. 45 und die Sinfonie Es-Dur op. 33. 

Den weiteren Verlauf des Jahres 1804 und das Jahr 1805 nutzte Eberl, um sich in weiteren „Akademien“ endgültig als Wiener Komponist von Rang zu etablieren und Werke in allen Gattungen der Instrumentalmusik zu komponieren. Von Januar bis Juni 1806 unternahm Eberl eine Konzertreise ins nördliche Deutschland, um auch dort seine großen Orchesterwerke einzuführen. Im März gastierte er in Dresden und Berlin, im April in Leipzig und im Mai in Weimar und Mannheim. Die Weimarer Erbprinzessin Maria Pavlovna, eine Schwester des Zaren Alexander I., mit der Eberl möglicherweise schon seit seinen Aufenthalten in St. Petersburg bekannt war, beauftragte ihn mit der Komposition einer Klaviersonate; dieses Werk (g-Moll op. 39) sollte seine letzte größere Komposition sein; denn Eberl starb im Alter von noch nicht 42 Jahren am 11. März 1807 an Scharlach.

Jin-Ah Kim / Bert Hagels

Sinfonie Es-Dur op. 33: Ries & Erler, Berlin
Sinfonie d-Moll op. 34: Ries & Erler, Berlin
Sinfonie D-Dur w.o.n. 5 (in Vorbereitung)
Sinfonie G-Dur w.o.n. 6 (in Vorbereitung) 
Sinfonie C-Dur w.o.n. 7: Ries & Erler, Berlin 

Konzert für Klavier und Orchester C-Dur op. 32: Ries & Erler, Berlin

CD: Paolo Giacometti (Hammerklavier); Kölner Akademie / Michael Alexander Willens 

Konzert für Klavier und Orchester Es-Dur op. 40: Ries & Erler, Berlin

CD: Paolo Giacometti (Hammerklavier); Kölner Akademie / Michael Alexander Willens 

Konzert für zwei Klaviere und Orchester B-Dur op. 45: Ries & Erler, Berlin

[1] Ausführlich zu Eberl: Franz Josef Ewens, Anton Eberl. Ein Beitrag zur Musikgeschichte in Wien um 1800, Dresden 1927; Alton Duane White, The Piano Works of Anton Eberl (1765-1807), Ph.D. University of Wisconsin 1971; zu Eberls insgesamt fünf Sinfonien und zum Gattungskontext: Jin-Ah Kim, Anton Eberls Sinfonien in ihrer Zeit. Hermeneutisch-analytische Aspekte der Sinfonik 1770-1830 (= Schriften zur Musikwissenschaft aus Münster, Bd. 17), Eisenach 2002; vgl. auch: Dies., Art. Eberl, Anton, in: MGG2 (Personenteil), Bd. 6, Kassel usw. 2001, Sp. 18-21.

[2] N. Negrotti (Hrsg.), W. A. Mozart: Sinfonia in do maggiore, Milano 1944. Diese Ausgabe legt einen in der Bibliothek der Pia Istituzione Musicale di Cremona befindlichen handschriftlichen Stimmsatz zu Grunde; das in der Bibliothek der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien aufbewahrte Autograph dieser Sinfonie scheint dem damaligen Herausgeber nicht zur Verfügung gestanden zu haben.

[3] H. C. Robbins Landon, Two orchestral Works wrongly attributed to Mozart, in: The Musical Review 17 (1956), S. 29-34; vgl. auch: Stephen C. Fisher, Die C-Dur-Symphonie KV6 Anh. C 11.14: ein Jugendwerk Anton Eberls, in: Mitteilungen der internationalen Stiftung Mozarteum 31 (1983), S. 21-26.

[4] So z.B. Eberls wahrscheinlich frühestes erhaltenes Klavierwerk, die Variationen über Zu Steffen sprach im Traume Es-Dur w.o.n. 2  (vor 1788?) und seine erste Klaviersonate c-Moll op. 1 (1792).

[5] Julius Wilhelm Fischer, Reisen durch Oesterreich, Ungarn, Steyermark, Venedig, Böhmen und Mähren, in den Jahren 1801 und 1802, Erster Theil, Wien 1803, S. 217f.

[6] Zitiert nach: A. W. Thayer/H. Deiters/H. Riemann: Ludwig van Beethovens Leben, Bd. II, Leipzig 1910, S. 380.

[7] Nachrichten. Wien, in: Allgemeine musikalische Zeitung VI (1803/04), Sp. 467-471, hier Sp. 468.

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