MUSICA OBLITA

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Franz Danzi (1763-1826)

Franz Danzi (1763-1826) hatte in musikhistorischer Perspektive die denkbar günstigsten Voraussetzungen für eine große Karriere als Komponist und Kapellmeister. In entscheidenden Momenten seines Lebens spielte ihm jedoch immer das Schicksal in Gestalt von folgenreichen Todesfällen üble Streiche. Geboren wurde er in Schwetzingen[1], der Sommerresidenz des pfälzischen Kurfürsten Karl Theodor, dessen Mannheimer Hofkapelle sich den Ruf eines der besten Orchester Europas erworben hatte. 

Danzis Vater Innozenz (um 1730-1798) stammte aus Italien und war 1754 von Karl Theodor als Violoncellist angeworben worden. Er gehörte zu den bestbezahlten Musikern der Kapelle. 1755 hatte er Barbara Toeschi geehelicht, die Schwester des späteren Konzertmeisters Carl Joseph Toeschi. Der Ehe entstammten acht Kinder; zwei starben in frühem Alter, und vier der überlebenden sechs Kinder wurden Musiker: Franz’ ältere Schwester Franziska (1756-1791) war eine gefeierte Sängerin, seine Brüder Johann (1758 bis nach 1814) und Anton (1766 bis nach 1835) dienten in mehreren Hofkapellen. 

Den ersten musikalischen Unterricht erhielt Franz bei Vater und Schwester Franziska (Violoncello, Klavier und Gesang); später kam Kompositionsunterricht bei dem umtriebigen Georg Joseph Vogler (1749-1814), europaweit als „Abbé Vogler“ bekannt, hinzu. Spätestens 1778 war er so weit, dass er als Cellist in die Hofkapelle eintreten konnte; doch bereits Ende 1777 war für seinen Landesherren Karl Theodor durch den Tod des kinderlosen bayerischen Kurfürsten Max III. Joseph der Erbfall eingetreten; Karl Theodor verlegte als frisch gebackener bayerischer Kurfürst 1778 seine Residenz nach München, nicht ohne die wichtigsten Mitglieder seiner Mannheimer Hofkapelle mitzunehmen, um sie mit der Münchener Hofkapelle zu vereinigen. 

Vater Innozenz folgte dem Kurfürsten nach München; Franz indes blieb vorerst als Instrumentalist und Korrepetitor in Mannheim, wo vornehmlich jüngere Musiker zurückgelassen wurden, um dem dort neu gegründeten National-Theater ein kleines Orchester zu erhalten. Immerhin gab diese Konstellation dem jungen Danzi einige Gelegenheiten, als Komponist von Bühnenwerken in Erscheinung zu treten; er komponierte seine ersten Singspiele (Cleopatra P 1 und Azakia P 2[2]) sowie einige Schauspielmusiken (darunter eine – leider verlorene - Zwischenaktmusik [P 27] zur Uraufführung von Schillers Die Räuber). 

Doch es zog ihn nach München; bereits 1782 ist er dort als Cellist nachweisbar; und als sein Vater im November 1783 pensioniert wurde, erhielt der 20jährige Franz seine Stelle – freilich nur mit einem Drittel des Gehalts, das sein Vater bezogen hatte. Und auch die Gelegenheiten, fürs Theater zu komponieren, blieben nunmehr aus; Mitte der 1780er Jahre bat er den Intendanten um eine Position, die ihm auch seine Talente als Komponist zu zeigen gestatteten. Doch erst 1789 gelang es ihm, zwei Bühnenwerke in München zur Aufführung zu bringen, das Singspiel Der Triumph der Treue P 4 und  die Komische Oper Der Quasimann P 5. Ein Jahr später heiratete er mit Margarethe Marchand (1768-1800) eine gefeierte Sängerin und Pianistin, die von 1782-84 bei Leopold Mozart in Salzburg ausgebildet worden war, und die sich später als Komponistin von Kammermusikwerken einen Namen machen sollte. 

1792 brach das jung vermählte Paar zu einer mehrjährigen Konzertreise auf, in deren Verlauf Danzi für einige Monate im Sommer 1792 den Posten des Musikdirektors bei der in Leipzig und Prag spielenden Operntruppe des Impresarios Domenico Guardasoni einnahm. Zur Geburt ihres Sohnes Carl im Juli 1794 kurzfristig wieder in München weilend, verbrachte das Paar die nächsten anderthalb Jahre in Italien; im Jahr 1796 erfolgte die endgültige Rückkehr nach München. 

1798 begann sich endlich auch der Erfolg als Opernkomponist einzustellen: Danzis Komische Oper Die Mitternachtsstunde P 6 (1798) erwarb ihm beträchtliches Ansehen; die erfolgreiche Uraufführung des Werkes am 16. Februar 1798 in München brachte ihm den Titel eines Vizehofkapellmeisters ein. Ein Jahr später gelangte eine weitere Oper Danzis, Der Kuß P 7, in München zur Aufführung. 

Sein Stern war also gerade im Steigen begriffen, als eine Reihe von Schicksalsschlägen auf ihn niederfuhr. Bereits 1798 war sein Vater gestorben; und im Juni 1800 erlag seine Gattin, erst zweiunddreißigjährig, einem chronischen Lungenleiden. Dieser Verlust traf ihn schwer, und lähmte, wie er später bekannte, seinen kompositorischen Ehrgeiz. Doch nicht genug damit: Kurfürst Karl Theodor starb im Februar 1799, und sein Nachfolger Maximilian IV. Joseph (ab 1806 König Maximilian I.) verfolgte, um die ausufernden Staatsschulden einzudämmen, eine strikte Austeritätspolitik, die dem Musikleben der bayerischen Hauptstadt nicht eben förderlich war. Zudem war der neu eingesetzte Hoftheater-Intendant, Joseph Marius Babo, ein enger Freund des Hofkapellmeisters Peter von Winter (1754-1825), der wiederum mit seinem Vize nicht auf gutem Fuße stand. Kurzum, sei es wegen möglicher Intrigen Babos und Winters, sei es, dass der Publikumsgeschmack sich geändert hatte, in den Jahren nach der Jahrhundertwende vermochte Danzi nicht, an seinen Erfolg von 1798 anzuknüpfen. 

Als 1801 Carl August Cannabich (1771-1806)[3], ein Sohn des berühmten Mannheimer Komponisten Christian Cannabich, als Hof-Musikdirektor verpflichtet wurde, blieb dem Vizekapellmeister nur noch die Leitung der Kirchenmusik. Danzi verlegte sich auf die Komposition von Instrumentalmusik (s.u.) und begann pädagogisch als Gesangs- und Kompositionslehrer tätig zu werden; zu seinen Schülerinnen und Schülern zählen u.a. die Sängerinnen Margarethe und Josefine Lang sowie der Violoncellist und Komponist Anton Bohrer (1783-1863) und der Komponist Johann Nepomuk von Poißl (1783-1865). 

Zwar gelang es ihm 1802, das einaktige Singspiel El Bondocani P 8 auf die Bühne zu bringen, aber es sollte noch fünf Jahre dauern, bis mit der ernsthaften Oper Iphigenie in Aulis P 9 wieder ein abendfüllendes Bühnenwerk Danzis in München zur Aufführung kam (27. Januar 1807). Diese wurde zu einem vollkommenen Fiasko; das Werk kam weder bei Hofe noch beim Publikum an, auch wenn der Berichterstatter der Leipziger Allgemeinen musikalischen Zeitung sich redliche Mühe gab, dieses „neue sehr bedeutende Werk“ Danzis in den Kontext der Geschichte der deutschen Oper vom Hamburger Gänsemarkt bis zu Schweitzers Alceste und Holzbauers Günther von Schwarzburg zu stellen, und der Musik „unverkennbare Schönheiten – Schönheiten als Musik an sich, als Musik in Verbindung mit Poesie, als Musik für’s Theater“ bescheinigte.[4] Zwei Monate später hatte der Erfolg von Winters 1803 für London komponierter, für das Münchener Publikum aber neuer Oper La grotta di Calipso das Werk Danzis vollständig in den Schatten gestellt.[5] 

Enttäuscht verließ Danzi im Sommer 1807 München zusammen mit seiner Schülerin Margarethe Lang und trat im Oktober eine neue Stelle als Kapellmeister am Hoftheater in Stuttgart an, um die er sich bereits im Februar, unmittelbar nach dem Durchfall seiner Iphigenie, beworben hatte. Dort schloss er enge Freundschaft mit dem über 20 Jahre jüngeren Carl Maria von Weber (1786-1826), dem er als Mentor und Förderer hilfreich zur Seite stand. Das gemeinsame Bemühen um eine repräsentative, „ernsthafte“ deutschsprachige Oper, die den Singspielcharakter hinter sich lässt, gleichwohl aber das Interesse des Publikums zu erringen vermag, dürfte sie verbunden haben. Auch nach dem unrühmlichen Abgang Webers aus Stuttgart im Februar 1810 blieb das Verhältnis eng, wie die in Webers Tagebuch verzeichneten häufigen Treffen im Sommer 1811 in München belegen[6], wo Danzi anlässlich einer Kur weilte. 

Ab 1810 machte sich nämlich eine Krankheit bei Danzi bemerkbar, die ihn zu häufigen Urlauben und Kuraufenthalten zwang. Möglicherweise ist diese Beeinträchtigung seiner Arbeitsfähigkeit der Grund dafür, dass er sich nach einer neuen Stellung – mit weniger Arbeitsbelastung als die in Stuttgart – umsah. Zudem hatte er mancherlei Grund, mit den Verhältnissen in Stuttgart unzufrieden zu sein; König Friedrich I. von Württemberg war kein Liebhaber von Instrumentalmusik; und eine bürgerliche Musikkultur, welche den Resonanzboden für vom Hof unabhängige Liebhaberkonzerte hätte abgeben können, wie es Danzi wünschte, gab es nicht. Auch war ihm der Hof das Honorar seines am 12. März 1812 in Stuttgart uraufgeführten Singspiels Camilla und Eugen P 12 schuldig geblieben. 

Offenbar hielt er die Position eines Kapellmeisters des in Karlsruhe residierenden Großherzogs von Baden für attraktiver als die Stuttgarter Stellung: Im Juli 1812 wechselte er von Stuttgart nach Karlsruhe, nicht ohne kurz zuvor noch einmal in Erwägung gezogen zu haben, sich am Münchener Hoftheater zu bewerben. Für Stuttgart und für Karlsruhe komponierte er weitere deutschsprachige Bühnenwerke, zumeist Einakter oder mehraktige Singspiele, ohne aber je den Ehrgeiz damit zu verbinden, das zu erreichen, was ihm mit seiner unglücklichen Iphigenie nicht gelungen war: die große, „ernsthafte“ deutsche Oper. In der Konsequenz trat er jedoch selbstlos für das Schaffen seines jungen Freundes Carl Maria von Weber ein, dessen Bühnenwerke er jeweils kurz nach ihrer Uraufführung in Karlsruhe auf die Bühne brachte. 

Nach 1815 zog sich Danzi schrittweise aus dem öffentlichen Musikleben zurück, die Dirigententätigkeit empfand er, wie er seinem Münchener Freund Joseph von Morigotti mehrfach mitteilte, zunehmend als drückende Last. Die Leitung der Konzerte der Karlsruher Museumsgesellschaft überließ er Ende 1816 seinem Konzertmeister Friedrich Ernst Fesca (1789-1826), und im März 1824 wurde ihm Josef Strauß (1793-1866), später sein Nachfolger als Kapellmeister, als Musikdirektor unterstützend zur Seite gestellt. Ab Dezember 1825 hinderten ihn längere Perioden ernsthafter Erkrankung an der Wahrnehmung seiner Pflichten. Am 13. April 1826 starb Franz Danzi, gut einen Monat vor Vollendung seines 63. Lebensjahrs.

Unbestreitbar hat Danzis musikalisches Hauptinteresse der deutschen Oper gegolten (nicht zufällig befindet sich – für einen an Bühnenwerken interessierten Komponisten dieser Zeit sehr ungewöhnlich – keine einzige italienische Oper unter seinen insgesamt 17 musikalischen Bühnenwerken)[7]; das hinderte ihn jedoch nicht an der Komposition zahlreicher Instrumentalwerke in allen zeitgenössischen Gattungen. Wenn auch einige Instrumentalwerke bereits vorher im Druck erschienen sind[8], so fällt überdies auf, dass  Danzi erst nach 1800 Instrumentalwerke in größerer Anzahl und schneller Folge veröffentlichte. Bereits im Jahr 1800 erschienen Werke Danzis in den repräsentativen Gattungen Klavierkonzert (Es-Dur op. 4 P 229), Streichquartett (op. 5 P 264) und Klaviersonate (F-Dur op. 3 P 286). In den nächsten vier Jahren folgten weitere Streichquartette (opp. 6, 7, 16 und 29 bzw. P 265-268), eine Klaviersonate (op. 12 P 287), größer besetzte Kammermusik (Sextette op. 10 P 283 und op. 15 P 284), Konzerte für Violoncello (o. op. P 241 und 242) und schließlich die ersten beiden Sinfonien (op. 19/24 P 220 und op. 20/25 P 221) sowie die erste publizierte Symphonie concertante (B-Dur für zwei Violinen o. op. P 225). Der Kreis seiner Verleger erweiterte sich; hatte um 1800 nur der Verlag Falter in München sich seiner Werke angenommen, so erschienen einzelne Werke ab 1802 auch bei Nägeli in Zürich und ab Herbst 1803 im Verlag Breitkopf & Härtel in Leipzig, der bis 1806 sein Hauptverleger war. Es hat den Anschein, dass Danzi die nach 1800 widerwillig hingenommene Abstinenz von der Bühne mit der Komposition bzw. Publikation von Instrumentalmusik (sowie nicht bühnengebundener Vokalmusik) zu kompensieren versuchte, um weiterhin in der Öffentlichkeit präsent zu sein.

Bert Hagels

Sinfonie/Ouvertüre D-Dur P 218; Ries & Erler, Berlin

CD: Orchestra della Svizzeria Italiana / Howard Griffiths (cpo)

Sinfonie Es-Dur P 219; Ries & Erler, Berlin

CD: Orchestra della Svizzeria Italiana / Howard Griffiths (cpo)

Sinfonie d-Moll op. 19/24 P 220; Ries & Erler, Berlin

CD: Orchestra della Svizzeria Italiana / Howard Griffiths (cpo)

Sinfonie C-Dur op. 20/25 P 221; Ries & Erler, Berlin

CD: Orchestra della Svizzeria Italiana / Howard Griffiths (cpo)

Sinfonie Nr. 3 B-Dur P 222; Ries & Erler, Berlin

CD: Orchestra della Svizzeria Italiana / Howard Griffiths (cpo)

Sinfonie Nr. 4 D-Dur P 223; Ries & Erler, Berlin

CD: Orchestra della Svizzeria Italiana / Howard Griffiths (cpo)

[1] Die folgenden Angaben beruhen im Wesentlichen auf: Volkmar von Pechstaedt, Manuela Jahrmärker und Brigitte Höft, Art. „Danzi, Familie“, in: Musik in Geschichte und Gegenwart, zweite, neubearbeitete Ausgabe, hrsg. von Ludwig Finscher, Bd. 5, Kassel usw. 2001, Sp. 400-413; Peter M. Alexander, „Introduction“, in: The Symphony 1720-1840, Series C-Volume V, New York & London 1983, S. xxv-xxxv; Joachim Veit, Der junge Carl Maria von Weber. Untersuchungen zum Einfluß Franz Danzis und Abbé Georg Joseph Voglers, Mainz usw. 1990, Anhang I, S. 389-404.

[2] Werknummerierung nach: Volkmar von Pechstaedt, Thematisches Verzeichnis der Kompositionen von Franz Danzi (1763-1826). Mit einem Anhang der literarischen Arbeiten Danzis, Tutzing 1996.

[3] Dem jüngeren Cannabich war Danzi allerdings freundschaftlich verbunden; Carl August Cannabich ist mutmaßlich der Verfasser des Nekrologs auf Margarethe Danzi, in: Allgemeine musikalische Zeitung [im Folgenden: AmZ] IV (1801/02), Sp. 124-126; dieser ist mit „K. C.“ gezeichnet. Danzi seinerseits verfasste den Nekrolog auf den am 1. Mai 1806 verstorbenen Cannabich; vgl. AmZ VIII (1805/06), Sp. 529f. Nach Cannabichs Tod leitete Danzi vorübergehend die deutsche Oper, im Oktober 1806 trat mit Ferdinand Fränzl (1767-1833) jedoch ein neuer Musikdirektor die Nachfolge Cannabichs an, ein Zeichen dafür, dass Danzi bei der Intendanz nur als interimistische Lösung in Frage kam.

[4] „Nachrichten. München“, in: AmZ IX (1806/07), Sp. 365-371; Zitate Sp. 366 und Sp. 370.

[5] Vgl. „München, den 13ten May“, in: AmZ IX (1806/07), Sp.560-564; insb. 560 und 564.

[6] Vgl. Joachim Veit, Der junge Carl Maria von Weber, a.a.O., S. 48ff.

[7] Ohne Ballette. Eine Ausnahme von der Regel der Deutschsprachigkeit ist lediglich der Einakter Deucalion et Pirrha P 10 mit einem französischen Libretto.

[8] So die 1793 bei Sieber als op. 1 erschienenen Trois Sonates pour Clavecin ou Pianoforte, avec Violon et Basse P 261 und 1795-96 die vierhändige Sonate Es-Dur o. op. P 292 bei Nadermann.  Einzelne Klavierstücke erschienen bereits in den 1780er Jahren, etwa P 285; vgl. Pechstaedt, Thematisches Verzeichnis, a.a.O., S. 167.

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