MUSICA OBLITA

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Konzert für Klavier und Orchester Es-Dur op. 40

Wann das Konzert Es-Dur op. 40 entstanden ist, kann nur vermutet werden; doch gilt für dieses Konzert das gleiche wie für das Doppelkonzert op. 45: Die erste nachweisbare Aufführung beider Werke fand in einer Akademie Erberls am 6. Januar 1804 statt, und da unterstellt werden darf, dass Eberl bei seinem Auftritt als Klaviervirtuose nur neue Werke vorstellte, so ist als Entstehungszeit das Jahr 1803 sehr wahrscheinlich. Wie die Veranstaltung insgesamt so fand auch sein neues Klavierkonzert eine sehr gute Aufnahme; in einer in der Leipziger Allgemeinen musikalischen Zeitung veröffentlichten Besprechung jenes Konzert steht zu lesen:

Man kann es in jeder Rücksicht vortrefflich nennen, und den besten Arbeiten in dieser Art an die Seite stellen. Die Themas sind neu, äusserst frisch, blühend, lebhaft und mit ausgezeichneter Kunst und viel Geschmack ausgeführt und instrumentirt; besonders sind die sehr brillanten Solos mit dem Ganzen auf eine höchst ungezwungne und angenehme Art verbunden, und nirgends hat der Tonsetzer den Totaleindruck einzelnen Passagen oder Schwierigkeiten aufgeopfert. Eberl spielte mit Präcision, Feuer, Fertigkeit und Deutlichkeit und erhielt den allgemeinsten Beyfall.[1]

Die Nachricht von Eberls Erfolg drang sogar bis nach Berlin: Das von August von Kotzebue herausgegebene Unterhaltungsblatt Der Freimüthige oder Ernst und Scherz, das in der preußischen Hauptstadt erschien, brachte im Rahmen eines Korrespondentenberichtes aus Wien einen längeren Bericht über Eberls Konzert vom 6. Januar 1804, in dem das Klavierkonzert Eberls sehr gut wegkam:

Lange wird allen Freunden der Tonkunst der Abend unvergeßlich bleiben, an welchem unser Eberl sein Koncert im Jahnischen Saale gab [...]. Darauf folgte ein Klavierkoncert von Eberl komponirt und gespielt. Diese glänzende Schönheit, dieser liebliche Gesang, die angenehme Ausarbeitung des Themas, welche Eberls Koncerte von allen Tonstücken dieser Art, die Mozartischen ausgenommen, so sehr auszeich­nen, finden sich auch hier in einem hohen Grade, und der Künstler trug es mit Deutlichkeit, Stärke, Präcision und Gewandtheit vor.[2]

Während seiner Konzertreise durch Deutschland in der ersten Jahreshälfte 1806 spielte Eberl zumeist sein Es-Dur-Konzert und nicht das mutmaßlich ältere Konzert C-Dur op. 32.[3] Fast überall fand Eberl als Komponist wie als Virtuose ein positives Echo. Am 10. April konzertierte er in Leipzig; dort gefiel das Konzert:

Hr. Eberl spielte ein Pianofortekonzert, (Es dur) ebenfalls sehr glänzend geschrieben, mit vielem Beyfall aufgenommen, und voll der grössten Schwierigkeiten.[4]

In Frankfurt am Main spielte er am 16. Mai, dort fand er mit dem gleichen Programm wie in Leipzig hingegen „nur mässigen Beyfall[5]; in Mannheim wiederum fanden die Sinfonie op. 33 und das Klavierkonzert op. 40 ebenso viel Anerkennung wie sein Erscheinungsbild als Künstler, wenn auch leise Kritik am Instrumentationsstil, wie sie sich etwa auch in der zeitgenössischen Beethoven-Rezeption finden lässt, formuliert wird:

Diese beyden gelungenen Arbeiten waren es vorzüglich, wodurch er sich hier die allgemeine Achtung der Musikfreunde in eben so hohem Grade erwarb, als er durch – bey reisenden Künstlern gewiss seltene, anspruchslose Bescheidenheit und gefälliges Betragen, alle zu seinem Vortheile einnahm, die mit ihm in nähere Bekanntschaft zu kommen Gelegenheit hatten.- Jene Kompositionen fanden auch wir nach einem guten Plane angelegt, der dann in der Ausführung konsequent verfolgt wird. Der Verf. weiss seine Gedanken mit weislicher Oekonomie zu verwenden, und zeigt dabey auch viel Bekanntschaft mit den kontrapunktischen Künsten. So ausgerüstet würde Hr. Eberl vielleicht noch weit Vorzüglicheres hervorbringen können, wenn er mehr darauf denken wollte, Ueberladungen zu vermeiden, durch die so manches wahrhaft Schöne seiner Produkte verdunkelt wird. Warum verdeckt er z.B. – um nur Eins anzuführen – so oft seine schöne Mischung von Harmonieen durch Pauken und Trompetenschall?[6]

Lediglich in Prag, wo er in der Fastenzeit 1806 konzertierte und beim Publikum durchaus auch Erfolg hatte, fanden sein Klavierkonzert und weitere seiner Kompositionen wie auch sein Auftreten überhaupt eine ausgesprochen negative Aufnahme durch den Rezensenten der Allgemeinen musikalischen Zeitung. Über das Klavierkonzert heißt es in dem verhältnismäßig langen Bericht:

Die Komposition des Pianofortekonzerts, welches er sodann spielte, hat wenig oder gar keine Originalität; überall blickt Beethovens meisterhaftes Konzert in C. hervor, das Hrn. E. sowohl im Plane als den Passagen zumVorbild gedient zu haben scheint. Oft wenn er originell seyn will, wird er barock; dies beweist z. B. die Generalpause im lezten [sic!] Satz hinlänglich. Man bewunderte an ihm besonders die große Ge­läufigkeit seines Spiels; diese ist ihm auch zuzugestehen, aber keine Rundung und Verschmelzung der Töne.[7]

Der Rezensent gibt für das Konzert von Eberl keine Tonart an; der einzige Hinweis auf die Identität des Werkes ist die im Text erwähnte „Generalpause“ im letzten Satz. Doch auch dieser Hinweis ist nicht eindeutig, denn damit könnte z.B. sowohl die kurze Stockung des Rondo-Thema im Finale von op. 32 (erstmalig in T. 14-15)[8] als auch der Tempo- und Metrum-Wechsel im Finale von op. 40 (T. 240-241)  gemeint sein. Da op. 32 im Dezember 1805 im Druck erschienen war, und da anzunehmen ist, dass Eberl der zeitgenössischen Praxis folgte, in eigenen Konzerten nach Möglichkeit unbekannte eigene Kompositionen vorzustellen, ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass in Prag op. 40 erklungen ist. Diese Rezension gab Anlass zu einer auch in der Allgemeinen musikalischen Zeitung publizierten Gegendarstellung des Wiener Korrespondenten des Blattes[9], in der allerdings die in Frage stehende Komposition als Eberls Konzert in C-Dur identifiziert wird.

Publiziert wurde Eberls Klavierkonzert in Es-Dur erst nach seinem Tod, zu Anfang 1808. [10] Einige weitere Aufführungen sind nachweisbar; in Leipzig erklang das Werk im Gewandhauskonzert vom 8. Mai 1808, mit Elisabeth Catharina Müller, der Gattin des Thomaskantors August Eberhard Müller, als Solistin. In einer Rezension dieses Konzertes wird es zu den „noch ganz neuen Kompositionen“ gerechnet, und die Erinnerung an Eberls Konzert in Leipzig wird wach gerufen:

Unter diese gehört Eberls Klavierkonzert aus Es, das der Komponist vor zwey Jah­ren aus dem Manuscript hier vortrug, und das eben jetzt im Wiener Industrie-Comptoir [sic!] erschienen ist. Es fand auch diesmal, durch den schönen Zusam­menhang aller drey Sätze in Absicht auf Empfindung, durch den Glanz und die Anmuth der Ausführung, und durch die treffliche Instrumentirung ausgezeichneten Beyfall. Mad. Müller spielte es liebenswürdig und besonders den dritten Satz ausge­zeichnet schön.[11]

Das Konzert hätte zum Repertoirestück der Leipziger Gewandhauskonzerte werden können, wie es einige der Mozartschen schon seit geraumer Zeit waren; am 12. Ja­nuar 1809 setzte Elisabeth Catharina Müller Eberls Es-Dur-Konzert erneut auf das Programm.[12] Doch im folgenden Jahr verließen Madame Müller, die 15 Jahre lang Pianistin der Gewandhauskonzerte gewesen war, und ihr Ehemann Leipzig, um nach Weimar zu gehen. Zum letzten Mal erklang das Konzert am 13. Februar 1812 im Gewandhaus, am Klavier nunmehr Wilhelm Friedrich Riem (1779-1857), Leiter einer Singakademie und damals neben Friedrich Schneider (1786-1853) der Hauptpianist der Gewandhauskonzerte. Auch diesmal gefiel das Konzert als „eine der ange­nehmsten, freundlichsten, und überhaupt vorzüglichsten Arbeiten E.[berl]s, die bekannter seyn sollte, als sie es ist.[13] Diesem Urteil aus berufenem Munde – der Verfasser ist mutmaßlich der Herausgeber der Allgemeinen musikalischen Zeitung, Friedrich Rochlitz – ist aus heutiger Sicht gewiss zuzustimmen.

Bert Hagels

[1] „Nachrichten. Wien“, in: AmZ VI (1803/04), Sp. 464-471; hier Sp. 469.

[2] „Aus Wien. Musik“, in: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz 2 (1804), S. 54-55: hier S. 55.

[3] Nur in Weimar spielte Eberl am 1. Mai 1806 das C-Dur-Konzert, was wohl daran gelegen haben dürfte, dass die Erbprinzessin Maria Pavlovna von Sachsen-Weimar die Widmungsträgerin dieses Werkes war.

[4] „Leipzig“, in: AmZ VIII (1805/06), Sp. 462-463; hier Sp. 462. Mit „ebenfalls“ spielt der Rezensent auf seine unmittelbar vorher geäußerte Meinung über Eberls Sinfonie Es-Dur op. 33 an, die er (ebd.) als „ein mannigfaltiges, brillantes, äusserst volltönendes, feuriges Instrumentalstück“ charakterisiert hatte.

[5] „Frankfurt a. M. d. 8. May“, in: AmZ VIII (1805/06), Sp. 570-571; hier Sp. 571.

[6] „Mannheim, d. 12ten Juni“, in: AmZ VIII (1805/06), Sp. 650-654; hier Sp. 650.

[7] „Ueber Tonkunst in Prag“, in: AmZ VIII (1805/06), Sp. 537-544; hier Sp. 540f.

[8] Vgl. die Neuausgabe des Werkes, Berlin 2008.

[9] „Wien, d. 22sten Juny“, in: AmZ VIII (1805/06), Sp. 654-656; hier Sp. 655f., sowie „Wien, d. 2ten Aug.“, in: AmZ VIII (1805/06), Sp. 728-730; hier Sp. 729. Ausführlicher zu diesem Missverständnis im „Vorwort“ zur Neuausgabe von op. 32, Berlin 2008, S. IIIf.

[10] Ich danke Herrn Axel Beer (Mainz) für die Mitteilung des genauen Erscheinungsdatums.

[11] „Leipzig“, in: AmZ X (1807/08), Sp. 558-560; hier Sp. 558; Hervorhebungen im Original. Die Informa­tion, das Konzert sei im Wiener „Bureau des arts et d’industrie“ erschienen, ist nicht korrekt; tatsächlich erschien es in Leipzig im „Bureau de Musique“ von Ambrosius Kühnel. Eine Wiener Ausgabe des Werkes ist nicht nachweisbar.

[12] Vgl. den Programmzettel des 14. Konzerts im Gewandhaus vom 12. Januar 1809 im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig; Signatur: MT/2517/2006. Vgl. zur Identifikation: „Musik in Leipzig“, in: AmZ XI (1808/09), Sp. 433-438; hier Sp. 437.

[13] „Nachrichten. Leipzig“, in: AmZ XIV (1812), Sp. 242-247; hier Sp. 243.

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