MUSICA OBLITA

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Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 10

Wann genau Fescas zweite Sinfonie entstand, ist nicht festzustellen; ihre Komposition fällt jedenfalls in seine Kasseler Zeit zwischen 1809 und 1813; ihre erste nachweisbare Aufführung fand in der ersten Jahreshälfte 1813 in Kassel statt. Fesca vermochte mit der Sinfonie an den Erfolg anzuknüpfen, den sein sinfonischer Erstling kurz zuvor in Kassel errungen hatte: "Sie entspricht ganz den Erwartungen, die durch Hrn. F.[esca]s erste Symphonie erregt wurden, und ist dabey kürzer und gefälliger"[ 1 ], heißt es in einem Bericht über diese Aufführung. 

In der Tat ist das Werk, verglichen mit Fescas erster und dritter Sinfonie, von geringeren Ausmaßen und schlägt schon in der Langsamen Einleitung einen "gefälligen" Ton an, wie er in der zeitgenössischen Sinfonik selten zu finden ist, aber in Robert Schumanns zweieinhalb Jahrzehnte später erhobenen Forderung nach einer "leichte[n], lustige[n] Symphonie, eine in Dur, ohne Posaunen und doppelte Hörner"[ 2 ] als Desiderat formuliert wird. 

Gleich nach dem Anfangsakkord sorgt eine ausgedehnte Bläserkantilene für eine verhaltene Stimmung, die wenig mit dem harmonisch Tastenden und Suchenden gemein hat, das Introduktionen der Gattungsnorm entsprechend eigen zu sein pflegt. Die anderen Sätze bleiben dem derart exponierten Charakter treu; so verleiht Fesca dem Werk eine Einheit im Außergewöhnlichen. 

Haupt- und Seitenthema des ersten Satzes sind harmonisch jeweils auf einer einfachen Kadenzbewegung aufgebaut, im ersten Fall als nach rhythmischer Stauung und melodisch einprägsamen Sextsprung befreiend einsetzende Violinfiguration, im zweiten Fall als im Wechselspiel zwischen Streichern und Bläsern sich entfaltende durchbrochene Kontrastlinie, die indes dem den ganzen Satz prägenden Charakter geschwinder Leichtfüßigkeit nicht abträglich ist. Die Kompatibilität beider Themen wird durch ihre gleichzeitiges Erklingen im Verlauf der Durchführung unterstrichen. Die gegenüber der Exposition leicht in den Überleitungsteilen gekürzte Reprise übernimmt die Simultanität beider Themen im Seitensatzbereich, und belegt so, dass Fesca sich der Problematik einfacher Themenrestitution in der Reprise bewusst ist. 

Der zweite Satz (Andante con moto, A-Dur, 6/8-Takt) weist zwar den für zeitgenössische langsame Sätze typischen Grundriss einer Sonatenform ohne Durchführung auf; sein Hauptthema indes (aus dessen zweitem Glied das Seitenthema abgeleitet ist) weist einen romanzenhaften Duktus auf, der gänzlich im Gegensatz zum pathetisch-sinfonischen Gestus des großen Adagio steht; auch hier bleibt Fesca dem am Beginn des Werkes angestimmten Grundton des Werkes treu. 

Das Scherzo Presto in d-Moll enspricht diesem mit seinem melancholischen perpetuum-mobile-Charakter nicht minder; dieser Satz ist einer der originellsten und zukunftsträchtigsten in Fescas gesamter Sinfonik, weist er doch mit seiner elegischen Eleganz auf die Versuche der zweiten Jahrhunderthälfte voraus, dem Scherzo neue Ausdrucksbereiche jenseits des Beethovenschen Typus zu verleihen. 

Auch das Finale zeigt innovative Züge; weder entspricht es dem vorbeethovenschen ‚Kehraus'-Typus, zumeist einem Rondo oder Sonatenrondo im 2/4-Takt, noch erfüllt es jene gewichtige Funktion, die dem letzten Satz im Rahmen einer finalorientierten Sinfonie zukommt, wie sie etwa Beethovens Fünfte oder Neunte darstellen. An die Rondoform erinnert lediglich die kurze Wiederaufnahme des Anfangsthemas vor Beginn der Durchführung, die in gewissem Widerspruch zum kontinuierlich motorischen 6/8-Rhythmus weitgehend mit kontrapunktischen Mitteln arbeitet, ohne doch eine eigentliche Fuge zu bringen. Selbst der Schluss des Werkes birgt einen Überraschungsmoment: Fesca verzichtet auf eine rauschende Coda und lässt stattdessen das Bewegungskontinuum im durchbrochenen Satz in den Streichern zu absteigenden Bläserakkorden allmählich erlöschen, bevor zwei prägnante Orchesterschläge einen abrupten Schlusspunkt setzen.

Bert Hagels

[ 1 ] Briefe über die Kunst in Kassel. Neunter Brief, in: AMZ XV (1813), Sp. 544-550; Zitat: Sp. 548.
[ 2 ] [Robert Schumann:] Neue Symphonien für Orchester, in: Neue Zeitschrift für Musik 11 (1839), S. 1-3; 17-18; Zitat S. 2; Wiederabdruck in: Schumann, Gesammelte Schriften, hrsg. von Martn Kreisig, 2 Bde., Bd. 1, S. 432.

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