MUSICA OBLITA

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Sinfonie Nr. 3 D-Dur op. 13

Fescas dritte Sinfonie entstand im Sommer 1816 und erschien drei Jahre später als Stimmdruck; die erste nachweisbare Aufführung fand am 25. 11. 1819 im Leipziger Gewandhaus statt. Der Rezensent dieser Aufführung befand zwar bündig: "Sie ist wohl die gelungenste unter den drey bisher erschienenen"[ 1 ], glaubte aber auch darauf hinweisen zu müssen, dass das Werk "ungeachtet vieler lärmenden Stellen, doch nicht im wahren Symphonieen-, sondern mehr im Quartetten-Styl mit tausend kleinen, überaus schwierigen Details, allaugenblicklichem Herumwerfen der Modulation"[ 2 ] komponiert sei, ein Vorwurf, von dem allerdings schwer zu entscheiden ist, ob er in der Sache selbst gründet oder nicht vielmehr dem Ruf Fescas als Komponist äußergewöhnlich differenzierter Streichquartette anzulasten ist; George Onslow, der, wie Fesca, der musikalischen Öffentlichkeit vornehmlich durch sein kammermusikalisches Schaffen bekannt wurde, sollte es mit seinen Sinfonien ein Jahrzehnt später ähnlich ergehen. 

In seiner dritten Sinfonie nähert sich Fesca viel stärker dem durch die Beethoven-Rezeption als Norm gesetzten Ideal der "großen" Sinfonie als in seiner zweiten. Die Introduktion, obschon kürzer als in dem vorhergehenden Werk, lotet nach zwei Unisono-Bläserschlägen und einer viertaktigen Streicherperiode unter Verwendung spannungssteigernder Vorhaltsdissonanzen über der Dominante A das harmonische Umfeld der Grundtonart D-Dur aus. 

Das Hauptthema des ersten Satzes, das freilich in mannigfaltigen Umspielungen erscheint, lässt sich im Kern auf die absteigende Quarte von der Subdominante G zum Grundton D zurückführen, und folgt so dem Prinzip der thematischen Ökonomie, das für Beethovens Sinfonien so charakteristisch ist; das Seitenthema, strukturell auch vom Quartintervall geprägt und in durchbrochenem Satz zwischen Bläsern und Streichern präsentiert, unterbricht wirksam, wenn auch nur episodisch, den rasanten Fluss des vorher unaufhaltsam vorandrängenden Achtelkontinuums in den Streichern (dessen an der Technik des Violinspiels ausgerichtete Beweglichkeit möglicherweise ein Grund für das oben erwähnte Monitum des zeitgenössischen Kritikers ist); die Schlussgruppe bricht mit einer fulminanten Bläserfanfare ein, und die Durchführung, vom Rezensenten des Stimmdrucks wegen ihres harmonischen Reichtums besonders hervorgehoben[ 3 ], gewinnt dem thematischen Material völlig neue Aspekte ab: das viertönige Hauptmotiv wird uhnter fortwährenden Modulationen mit seiner aufsteigenden Umkehrung kombiniert, und das Seitenthema erscheint in einer elegisch-verhaltenen Mollversion. Reprise und Coda schließlich tragen den Ereignissen in der Durchführung insofern Rechnung, als die Kombination des Hauptmotivs mit seiner Umkehrung den Ausgangspunkt für eine wirkungsmächtige Schlusssteigerung bildet.

Der zweite Satz (Adagio ma non troppo, G-Dur, 3/4-Takt) folgt zwar weit schematischer als der entsprechende Satz der zweiten Sinfonie dem formalen Muster eines Sonatensatzes ohne Durchführung, er entspricht jedoch mit seiner weitgespannten lyrischen Melodik, den harmonisch abwechslungsreichen Kadenzvermeidungen und ebenso sparsam wie wirkungsstark eingesetzten sforzati-Ausbrüchen dem Typus eines großorchestralen langsamen Satzes in einer Weise, die weniger auf klassische Vorbilder zurückgreift, sondern Verfahrensweisen späterer Komponistengenerationen antizipiert. 

Das Scherzo. Presto, dessen Beginn (Quartsprung aufwärts in Trompeten und Hörnern) wie eine Antwort auf den Beginn des ersten Satzes (Quartsprung abwärts in den Bläsern) wirkt, scheint in seinem Hauptteil die Beethovensche Scherzo-Technik der durch hohes Tempo frappierend wirkenden metrumwidrigen Phrasenbildung durch seine rasende Geschwindigkeit (die von Fesca mittels Metronomangabe genau vorgeschrieben ist) ins Extrem zu treiben, während das ohne Wiederholung durchkomponierte Trio mit einem melancholisch dahin huschenden Streichersatz, dissonanten Bläserakkorden über Trommelwirbel und abgerissenen Melodiefragmenten in der Oboe intermezzohaft auf die Scherzo-Reprise vorbereitet.- 

Fescas ganzer sinfonischer Ehrgeiz wird im Finale. Allegro molto deutlich; er dürfte mit seinen 639 Takten zu den längsten Schlusssätzen der damaligen Sinfonieliteratur gehören. Wie in den ersten beiden Sätzen knüpft Fesca auch im Finale formal an seine zweite Sinfonie an: vom ursprünglich der Gattungsnorm entsprechenden Rondo bleibt lediglich die Wiederholung des Hauptthemas vor Beginn der Durchführung. Doch die Ausdehnung ermöglicht orchestrale Entfaltungsmöglichkeiten, wie sie Fesca vorher nicht verwendete; der Hauptsatzkomplex, von der thematischen Physiognomie her ein Triumphmarsch, ist eine über 70 Takte sich erstreckende Steigerungspartie, die sukzessive das instrumentale und dynamische Potential des Orchesters zur Entfaltung bringt; die Überleitung bringt neben ihrer formalen Funktion der Modulation zur Domaninante einen in entfernte Tonarten ausweichenden, choralartigen Zwischensatz in Klarinetten und Fagotten und die lyrischen Abschnitte des Seitensatzbereiches werden mehrfach durch heterogene Passagen, etwa geheimnisvolle Streichertremolandi im pianissimo oder Einbrüche des Hauptthemenkopfes im fortissimo, unterbrochen; Seitensatz und Schlussgruppe werden so zu einer formalen Einheit verschmolzen.

Bert Hagels

[ 1 ] Musik in Leipzig, in: AMZ XXII (1820), Sp. 41-47; Zitat: Sp. 48.
[ 2 ] Ebd.
[ 3 ] Vgl. [Rez.:] Troisième grande Sinfonie in D [...] composée par F. E. Fesca [...], in: AMZ XXII (1820), Sp. 585-590; Sp. 588f.: "Besonders gelungen zu nennen ist die Ausarbeitung des zweyten Theils, in welchem die Harmonie nach C moll modulirt, in den folgenden Rückungen die Tonleiter von F moll, Des, Ges, B moll und G dur durchschweift, die Violinen sich wechselweise darüber imitiren, und worin jene Stellen von vorzüglich kräftiger Wirkung sind, wenn der Bass, von der Oberstimme in der höhern Octave verstärkt, so recht triumphirend einherschreitet. Vor dem Wiedereintritt des Hauptthema macht der volle B dur Accord auf der Grundbasis A, als einleitender Orgelpunkt einen imposanten Effect".

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