MUSICA OBLITA

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Sinfonie Es-Dur op. 33

Der früheste Beleg für die Existenz der Sinfonie Es-Dur op. 33 ist Eberls Konzert in Wiem am 6. Januar 1804. Im Konzertbericht in der Allgemeinen musikalischen Zeitung (s.u.) ist von einer großen neuen Sinfonie die Rede; man darf also annehmen, dass das Werk (zumindest in Wien) noch nicht öffentlich erklungen war. Daraus kann geschlossen werden, dass die Sinfonie im Laufe des Jahrs 1803 entstanden ist, möglicherweise in dessen erster Hälfte, wenn man mit Stephen C. Fisher[1] annimmt, dass der Widmungsträger des Werks, Fürst Franz Joseph Lobkowitz, sich das Werk ein halbes Jahr zum privaten Gebrauch reservierte, wie er es ein Jahr später mit Beethovens dritter Sinfonie, der Eroica, getan hat. Das ist indes für Eberls Sinfonie eine bloße Vermutung. Wie dem auch sei, Eberls Sinfonie fand – im Gegensatz zu Beethovens Eroica ein Jahr später – von Anfang an eine positive Aufnahme. Im erwähnten Bericht über die erste öffentliche Aufführung heißt es nahezu enthusiastisch über das Werk:

Eine grosse neue Sinfonie von Eberl, dem Fürsten Lobkowitz dedicirt, war für die Musikkenner um so interessanter, als in dieser schwierigen Gattung der Musik so wenige, selbst grosse Meister mit Glück gearbeitet haben. Diese Sinfonie ist aber wirklich ganz ausserordentlich gelungen, voll kühner und neuer Ideen, und besonders hat E. dabey eine sehr gründliche und ausgebreitete Kenntniss der Instrumente bewiesen. Jedes ist auf die zweckmässigste und passendste Art benutzt, und ausserordentlich glücklich vertheilt; jedes hat gerade das, was es zu leisten, und vorzüglich zu leisten im Stande ist. Auf das erste, schön gearbeitete, aber sehr lange Allegro aus Es, folgt ein treffliches Andante aus C moll, wobey die Blasinstrumente schön vertheilt sind, und besonders die Stelle einen ausserordentlichen Effekt macht, wo die Violoncells, Klarinetten und Fagotte das Thema führen. Von wahrer Originalität und wirklich grossem Kunstwerthe ist das Finale aus es, voll neuer und überraschender Modulationen und Uebergänge, welche die Aufmerksamkeit reizen und fesseln, und den gebildeten Geschmack sehr angenehm befriedigen. Die Stelle fiel höchst vortheilhaft auf, wo E. von as, mittels der enharmonischen Verwechslung mit gis, ins C dur übergeht. Möge doch diese Sinfonie bald durch den Stich überall verbreitet werden, und Hr. Eberl ferner seine Talente auf diese Gattung verwenden![2]

Der am Schluss geäußerte Wunsch des Rezensenten wurde vorerst allerdings nicht erfüllt: Die Drucklegung des Werkes zog sich fast drei Jahre hin; erst Ende 1806 erschien der Stimmdruck im Bureau de Musique des Leipziger Verlegers Ambrosius Kühnel.[3] Eberls Es-Dur-Sinfonie war somit erst ein Jahr später als seine 1804 komponierte Sinfonie d-Moll op. 34 öffentlich verfügbar, diese war bereits im Dezember 1805 von Kühnels Konkurrenten Breitkopf & Härtel publiziert worden.[4]

Ein Bericht über das Konzert erschien auch in August von Kotzebues Zeitschrift Der Freimüthige, wo im Jahr zuvor bereits so vorteilhaft über Eberls Klavierquartett op. 18 berichtet worden war (s. Biographie-Seite); der Bericht widmet sich primär Eberls Klavierkonzerten opp. 40 und 45, die ebenfalls aufgeführt wurden, über die Sinfonie heißt es kurz, aber anerkennend:

Auch eine neue große Symphonie aus es dur zeichnete sich durch Eigenthümlichkeit, Energie und sehr viele kontrapunktische Schönheiten aus.[5]

Eine weitere Aufführung der Sinfonie op. 33 erfolgte im Januar 1805 im Rahmen jener halböffentlichen Sonntagskonzerte des Bankiers Würth in Wien, in denen auch Beethovens Eroica erstmals außerhalb des Lobkowitzschen Palais erklang.  In einem Bericht der Allgemeinen musikalischen Zeitung wird Eberls Sinfonie sehr zu ihrem Vorteil mit Beethovens neuestem Werk verglichen; während dieser vorgehalten wird, sie scheine sich „sehr oft [...] ganz ins Regellose zu verlieren“, und insbesondere das Finale enthalte „des Grellen und Bizarren allzuviel“, heißt es unmittelbar im Anschluss über Eberls Werk:

Die Eberlsche Sinfonie aus Es gefiel wieder ausserordentlich, und wirklich hat sie so viel Schönes und Kräftiges, ist mit so viel Genie und Kunst behandelt, dass sie ihre Wirkung schwerlich irgendwo verfehlen wird, wo man sie gut einstudirt hat. Ganz vortrefflich ist das letzte Stück, wo eine einfache, aber liebliche Idee durch das Ganze herrscht, und sehr schön und kunstvoll gewendet und durchgeführt ist.[6]

Aufführungen außerhalb Wiens fanden vorerst mangels verfügbarem Stimmmaterials nicht statt; erst seine Konzertreise in der ersten Hälfte 1806 bot dem Komponisten die Gelegenheit, das Werk in anderen Städten zur Aufführung zu bringen. Am 10. April 1806 gastierte er im Leipziger Gewandhaus und führte neben einer Opernouvertüre (vermutlich zu Die Königin der schwarzen Insel), den beiden Klavierkonzerten opp. 40 und 45 auch seine Es-Dur-Sinfonie auf, mit einhelligem Erfolg. Der Leipziger Korrespondent von Johann Friedrich Reichardts Berlinischer Musikalischer Zeitung berichtet über das Konzert:

Zum Anfange des zweiten Theils folgte eine neue, große, prachtvolle feurige Symphonie von vier Sätzen, reich an mannichfaltigem, affektvollen Ausdruck, kühn und hinreißend durchgeführt. Schon nach dem ersten Satz und dann am Schluß erscholl lebhafter Beifall. Der sprechende Ausdruck, womit der Componist diese seine Symphonie selbst dirigirte, erhöhte das Interesse.[7]

Mit ähnlichem Tenor war in der Leipziger Allgemeinen musikalischen Zeitung zu lesen:

Den 10ten April gab H[er]r. Kapellm.[eister] Anton Eberl aus Wien [...] Konzert. [...] Eine Opern-Ouvertüre war sehr rauschend und vorzüglich auf augenblicklichen Effekt gut berechnet. Weit mehr gearbeitet war eine grosse Sinfonie (Es dur). Sie ist ein mannigfaltiges, brillantes, äusserst volltönendes, feuriges Instrumentalstück, und wurde vom Auditorium mit ausgezeichnetem Beyfall aufgenommen. [...]“[8]

Auch in Mannheim, wo Eberl am 25. Mai 1806 konzertierte und Es-Dur-Sinfonie sowie Klavierkonzert op. 40 aufführte, fand er eine wohlwollende Aufnahme, wie der Korrespondent der Allgemeinen musikalischen Zeitung (vermutlich der später als Musiktheoretiker zu Ehren gekommene Jurist Gottfried Weber) berichtet:

Hr. Kapellm. Eberl aus Wien, dessen Verdienste man hier bisher mehr durch vortheilhafte Berichte öffentlicher Blätter, als aus seinen Werken selbst kannte, gab am ersten Pfingsttage ein Konzert, worin er uns mehrere seiner schätzbarsten Kompositionen, namentlich seine grosse, noch ungedruckte Sinfonie (Es dur,) und ein Klavierkonzert (ebenfalls Es dur,) hören liess. Diese beyden gelungenen Arbeiten waren es vorzüglich, wodurch er sich hier die allgemeine Achtung der Musikfreunde in eben so hohem Grade erwarb, als er durch - bey reisenden Künstlern gewiss seltene, abspruchslose Bescheidenheit und gefälliges Betragen, alle zu seinem Vortheile einnahm, die mit ihm in nähere Bekanntschaft zu kommen Gelegenheit hatten. – Jene Kompositionen fanden auch wir nach einem guten Plane angelegt, der dann in der Ausführung konsequent verfolgt wird. Der Verf. weiss seine Gedanken mit weislicher Oekonomie zu verwenden, und zeigt dabey auch viel Bekanntschaft mit den kontrapunktischen Künsten. So ausgerüstet würde Hr. Eberl vielleicht noch weit Vorzüglicheres hervorbringen können, wenn er mehr darauf denken wollte, Ueberladungen zu vermeiden, durch die manches wahrhaft Schöne seiner Produkte verdunkelt wird. Warum verdeckt er z. B. - um nur Eins anzuführen - so oft seine schöne Mischung von Harmonieen durch Pauken und Trompetenschall?[9]

Einziger Kritikpunkt ist die zu starke Instrumentierung, ein Tadel allerdings, der in der zeitgenössischen Presse häufig und nicht nur in Bezug auf Eberl anzutreffen ist. Auch als Eberls Werk am 4. Dezember 1806 erstmalig in einem regulären Gewandhauskonzert in Leipzig aufgeführt wird, klingt er an, ohne indes die prinzipiell positive Aufnahme des Werkes in Frage zu stellen:

Eberls Sinfonie aus Es gefällt bey öfterem Hören immer mehr, und muss auch oft gehört werden, ehe man ihrer Herr wird und sie ganz geniessen kann, weil sie viele schwierige Details und eine zuweilen fast betäubende Besetzung mit rauschenden Instrumenten hat. Sie ist voll Feuer, Glanz und Reichthum; hat, bey aller, zuweilen überhäufter Mannichfaltigkeit, eine sehr gute Haltung, und besonders ist das Finale von strenger Ausführung bey allen den vielfältigen, freyen Bewegungen kräftiger Lebendigkeit. Wir zweifeln gar nicht, dass diese Sinfonie überall, wo sie gut gegeben wird - wozu aber wirklich nicht wenig gehört - Aufsehen und lebhafte Wirkung, auch Hrn. E. wahre Ehre bringen werde.[10]

Nachdem im Dezember 1806 der Stimmdruck erschienen war, folgten weitere Aufführungen in Städten außerhalb von Eberls unmittelbarem Wirkungsbereich. Noch im Advent 1806 fand eine Aufführung des Werks im Rahmen von Friedrich Dionys Webers Liebhaberkonzerten in Prag statt; dort allerdings wurde ihr, „ohngeachtet auch diesmal das Orchester, welches Eberl'n liebt, alles aufbot, um sie mit der grössten Präcision zu geben, [...] dennoch nur ein getheilter Beyfall zu Theil [...].“[11] Sogar für eine Stadt wie Linz ist eine Aufführung am 2. Juli 1812 nachweisbar.[12] In Mannheim erklang das Werk erneut am 16. März 1807.[13]

Die Sinfonie gelangte ins stehende Repertoire der Gewandhauskonzerte in Leipzig; Aufführungen lassen sich – abgesehen von den erwähnten Produktionen vom 10. April und 4 Dezember 1806 – für folgende Daten nachweisen:

            4. Oktober 1807

            2. Oktober 1808

            23. Februar 1809

            16. März 1809

            7. November 1811

            1. Dezember 1814

            11. Januar 1816

            13. März 1817

            5. März 1818

            30. April 1820

            18. Januar 1821

            22. November 1821

            20. April 1823

            3. Februar 1825

            11. Januar 1827

            21. Februar 1828

Danach verschwand das Werk aus dem Repertoire; immerhin kommt es zu 16 Aufführungen zwischen Oktober 1807 und Februar 1828. Bei einigen weiteren Aufführungen, wo von einer Sinfonie Eberls die Rede ist, kann nicht geklärt werden, ob es sich um op. 33 oder um op. 34 handelt, so auch bei der letzten Aufführung eines Eberlschen Werkes im Leipziger Gewandhaus am 7. Februar 1833.[14] Warum Eberls Sinfonien um 1830 so plötzlich aus dem Repertoire verschwanden, ist sicherlich diskussionsbedürftig. Den Pressereaktionen lassen sich nur positive Äußerungen entnehmen. So ist im März 1817 von Eberls „geist- und kunstreicher[15] Sinfonie Es-Dur die Rede; im April 1823 fand man: „Sie hat Geist und Leben.[16] Erst anlässlich der Aufführung im Januar 1827 glaubte man qualitative Unausgewogenheiten zwischen den einzelnen Sätzen feststellen zu können, auch wenn es insgesamt beim positiven Urteil blieb: 

[...] das Werk selbst gehört unstreitig zu den besten in diesem Fache. Wenn auch gleich die hochfliegenden Flügel der Begeisterung in den beyden letzten Sätzen ein wenig ermatten, und die Höhe des kühnen Fluges, der sich in den beyden ersten so herrlich zeigt, nicht völlig zu behaupten vermögen, so ist doch die Verschiedenheit, nur durch ein allmäliges geringes Sinken herbeygeführt, nicht so bedeutend, dass sie eine störende Empfindung hervorbringen könnte.[17]

Jin-Ah Kim / Bert Hagels

 

[1] Stephen C. Fisher, „Anton Eberl“, in: Barry S. Brook (Hrsg.), The Symphoniy 1720-1840, Series B, Vol. IX, New York & London 1983, S. xxx-xlii; hier S. xxxiv.

[2] „Nachrichten. Wien“, in: Allgemeine musikalische Zeitung [im Folgenden: AmZ] VI (1803/04), Sp. 467-471, hier Sp. 469f.

[3] Das Erscheinen des Erstdrucks wurde von Kühnel zwar bereits für die Leipziger Ostermesse 1806 angekündigt, dürfte aber tatsächlich erst im Dezember des Jahres erfolgt sein, wie Kühnels Anzeige im Allgemeinen Anzeiger der Deutschen vom 14. Dezember 1806 belegt.

[4] Vgl. Jin-Ah Kim/Bert Hagels, „Vorwort“, in: Anton Eberl, Sinfonie d-Moll op. 34, herausgegeben von Jin-Ah Kim und Bert Hagels, Berlin 2005, S. I-XV; hier S. VI.

[5] „Aus Wien. Musik“, in: Der Freimüthige oder Ernst und Scherz 2 (1804), S. 54-55; hier S. 55.

[6] „Wien, d. 28ten Jan.“, in: AmZ VII (1804/1805), Sp. 319-323; alle Zitate Sp. 321f. S.. zur Konkurrenz zwischen Beethoven und Eberl ausführlicher das in Anm. 12 erwähnte „Vorwort“ zur Partiturausgabe von Eberls Sinfonie d-Moll op. 34,  S. IVf.

[7] „Concert des Herrn Capellmeister Eberl aus Wien im Saal des Gewandhauses zu Leipzig. Am 10. April 1806“, in: Berlinische Musikalische Zeitung 2 (1806), S. 136.

[8] „Leipzig“, in: AmZ VIII (1805/1806), Sp. 462-463; hier Sp. 462.

[9] „Mannheim, d. 12ten Juni“, , in: AmZ VIII (1805/06), Sp. 650-654; hier Sp. 650. Zu Eberls Instrumentation in der Es-Dur-Sinfonie vgl. Jin-Ah Kim, Anton Eberls Sinfonien in ihrer Zeit. Hermeneutisch-analytische Aspekte der Sinfonik 1770-1830 (= Schriften zur Musikwissenschaft aus Münster, Bd. 17), Eisenach 2002, S. 215f.

[10] „Konzert und Oper in Leipzig“, in: AmZ IX (1806/07), Sp. 213-220; hier Sp. 215.

[11] „Prag, d. 1sten Juny“, in: AmZ IX (1806/07), Sp. 607-611; hier Sp. 610.

[12] Vgl. „Nachrichten. Linz“, in: Musicalische Zeitschrift für die österreichischen Staaten 1 (1812), S. 54.

[13] Vgl. „Mannheim“, in: AmZ IX (1806/07), Sp. 751-755, hier Sp. 754.

[14] Alle Daten nach: Bert Hagels, Konzerte in Leipzig 1779/80 bis 1847/48. Eine Statistik, Berlin 2009, CD-ROM, passim..

[15] „Leipzig“, in: AmZ XIX (1817), Sp. 353-365; hier Sp. 355.

[16] „Leipzig, von Ostern bis Michael“, in: AmZ XXV (1823), Sp. 786-792; hier Sp. 786.

[17] „Leipzig, vom 14. December bis zum 20. Januar“, in: Am XXIX (1827), Sp. 105-111; hier Sp. 105.

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