MUSICA OBLITA

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Dramatic Fantasia on some Passages of Milton's 'Paradise Lost' NV 426

Die „Dramatic Fantasia on some passages of Milton’s Paradise Lost“ entstand um die Jahreswende 1832/33 als Auftragswerk für die Philharmonic Society in London.[1] Am Ende des Pariser Autographs und in seinem Werkverzeichnis ist das Werk datiert mit Bridgehill, 24. Februar 1833. Wenn man von einem heute offenbar verschollenen Werk absieht, das im November 1816 in Rio de Janeiro entstanden ist[2], schließt Neukomm mit diesem Werk erstmals seit 25 Jahren wieder an seine vier zwischen 1806 und 1808 in Russland entstandenen Orchesterfantasien an. 

Im Unterschied zu früher aber unterlegt er seinem Werk nun ein Programm, das aus vier Schlüsselszenen aus dem epischen Gedicht Paradise Lost des Dichters John Milton (1608-74) besteht und den Sündenfall Adams und Evas und ihre Vertreibung aus dem Paradies zum Thema hat. Neukomm bannt den programmatischen Vorwurf in vier musikalisch sinnfällige Stationen, die er auf den Titelblättern der beiden erhaltenen autographen Partituren folgendermaßen beschreibt (hier in verkürzter Übersetzung des englischen Originals): 1) Glück und Morgenhymnus im Paradies; 2) Versuchung, Sünde und Satans Triumph; 3) Verurteilung der Sünder; 4) Klagegesang, Hoffnung auf den kommenden Erlöser und Vertreibung aus dem Paradies.

Das Sujet stellt möglicherweise eine Reverenz vor dem Auftraggeber dar. Am 27. Mai 1833 wurde das Werk, auf dem Programmzettel lediglich als Fantasia Drammatica angekündigt, in London durch das Orchester der Philharmonic Society uraufgeführt – zusammen mit einem Klavierkonzert von Johann Nepomuk Hummel und einer Sinfonie von Cipriani Potter.[3] Die englischsprachige Fachpresse reagierte mit großer Achtung, wenn auch ohne Begeisterung. In The Harmonicon stand zu lesen:

 Die Fantasia Drammatica für großes Orchester ist malende Musik; aber Hr. Neukomm hatte soviel Gespür, nur im Allgemeinen, nie im Besonderen zu malen. Die letzten vier Bücher von Paradise Lost haben ihm als Vorlage gedient wie das gedruckte Programm zeigt. [...] Die Phrase, auf die angespielt wird,  sind die ersten Takte aus ‚I know that my Redeemer liveth’ [aus Händels ‚Messias’], die er auf sehr gelungene Weise eingeführt hat. Dass das Ganze gut geschrieben ist, brauchen wir kaum zu sagen. Die einzelnen Sätze enthalten einiges an neuen Einfällen, die aber nicht von jener kraftvollen Art sind, die der unauslöschliche Abdruck des Genies hinterlasst.[4]

Und im Athenæum wurde kurz vermerkt:

Von den drei ungedruckten Kompositionen, die in diesem Konzert zum ersten Mal gespielt wurden, war eine ‚Fantasia Dramatica’ vom Ritter Neukomm, welche einige Passagen von Miltons ‚Paradise Lost’ veranschaulicht; sie ist gut erfunden, fällt aber nicht durch Originalität der Instrumentation auf [...].[5]

Über weitere Aufführungen ist bisher nichts bekannt.

Bert Hagels

[1] Vgl. Myles Birket Foster, History of the Philharmonic Society of London: 1813-1912, London, New York & Toronto, 1912, S. 118f. , 123;  so auch der Eintrag in Neukomms Werkverzeichnis: „Pour les concerts de la Société Philh:“.

[2] NV 144: „Fantaisie à grand orchestre sur une petite valse de S[on] A[ltesse] R[oyale] le Prince Royale Don Pedro Io“,  datiert auf den 6. November 1816. In Klammern ist „(: par ordre :)“ angefügt, das Werk entstand also offenbar auf Wunsch des Prinzen. Der Eintrag im Werkverzeichnis enthält – abweichend von den meisten anderen Einträgen – kein Notenincipit. Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass es Neukomm bereits nicht mehr vorlag, als er sein Werkverzeichnis zusammenstellte. Nach freundlicher Auskunft von Herrn François-Pierre Goy (Paris, Bibliothèque nationale de France, Département de la Musique) vom 26.05.2008 befindet es sich nicht in Neukomms Nachlass.

[3] Vgl. Foster, op. cit., S. 123.

[4]The Fantasia Drammatica, for the full orchestra, is a descriptive piece; but M. Neukomm has had the good sense to attempt only to describe generally, never particularly. The last four books of Paradise Lost have supplied him with subjects, as his printed argument will show. [...] The phrase alluded to by the compser is the first few bars of ‚I know that my Redeemer liveth’ [from Händel’s ‚Messiah’], which he has introduced in a most felicitous manner. That the whole of this is well written, we hardly need say. There is some imagination in the various movements, but not of that vigorous kind which will put the indelible stamp of genius on the work.The Harmonicon 1833, S. 154.

[5]Of the three MS. compositions, produced in this Concert for the first time, one was a ‚Fantasia Dramatica,’ by the Chev. Neukomm, illustrative of passages from Milton’s Paradise Lost; it is well-conceived, though not remarkable for originality of orchestral effect [...].“ „Miscellanea“, in: The Athenæum. Journal of literature, Science, and the Fine Arts, Nr. 292, vom 1. Juni 1833, S. 348.

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