MUSICA OBLITA

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Oktett für Pianoforte, Violine, Viola, Klarinette, Horn, Fagott, Violoncello und Kontrabass As-Dur op. 128

Anders als das Klavierseptett hat das Oktett mit Klavier und kombinierter Bläser/Streicherbesetzung keine eigene Gattungstradition hervorgebracht. Dem Werk von Ries war zwar ein Oktett des Prinzen Louis Ferdinand von Preußen (F-Dur op. 12; gedruckt 1808) vorausgegangen (Louis Ferdinand hat auch ein ‚Notturno’ in Klavierseptett-Besetzung hinterlassen); aber im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts hat es nur vereinzelte Versuche gegeben, an diese Besetzung anzuknüpfen. Die bekannten Oktette von Schubert (D 803; 1824) und von Mendelssohn (op. 20; 1825) gehören anderen Gattungstraditionen an: Während Schubert sich deutlich den von Beethovens Septett op. 20 repräsentierten Typus zum Vorbild nimmt, begründete Mendelssohn mit seinem einflussreichen Werk seinerseits die Gattungstradition des reinen Streicheroktetts.

Ries komponierte sein Oktett As-Dur op. 128 in den ersten Monaten des Jahres 1816, in einer Zeit, in der er endlich die erstrebte Anerkennung als Komponist und Pianist gefunden hatte. Nach seinem entmutigenden Erfahrungen in Paris war er im August 1808 für ein knappes Jahr zurück nach Wien gegangen, dann verbrachte er ein weiteres Jahr im heimatlichen Bonn. In der zweiten Hälfte des Jahres 1810 brach er zu einer ausgedehnten Konzertreise durch Deutschland, Russland und Skandinavien auf, und im April 1813 war er in London sesshaft geworden; dort blieb er die nächsten elf Jahre. Durch den seit langer Zeit in London lebenden Bonner Landsmann Johann Peter Salomon, einem Lehrer seines Vaters, in Londoner Musikerkreise eingeführt gelang Ries in London der Durchbruch; er kam als Klavierlehrer in den tonangebenden Londoner Kreisen in Mode und wurde 1815 Mitglied der kurz vor seiner Ankunft gegründeten Philharmonic Society. Das Oktett op. 128 komponierte er für ein Konzert dieser Gesellschaft, wie er dem Leipziger Verleger Carl Friedrich Peters am 22. April 1816 brieflich mitteilte: „dies ist ganz neu, ich habe es für mich geschrieben, um es in unsrem Philharmonischen Concert am 13 May zu spielen.” Ries’ Angebot, das Werk in Verlag zu nehmen, hat Peters offensichtlich nicht angenommen; denn das Oktett erschien erst 1831 im Leipziger Verlag Probst als op. 128. Wie gewohnt folgte alsbald ein Nachdruck in Paris.

Aus dem Brief an Peters kann man schließen, dass Ries das Werk in der Absicht komponiert hat, dem Londoner Publikum ein neues Glanzstück seiner virtuosen Fertigkeiten vorzuführen. In den Konzerten der Philharmonic Society war es durchaus gängig, Werke, die nach heutigem Verständnis als Kammermusik rubriziert würden, im Rahmen eines Symphonie-Konzertes zu präsentieren; freilich verlangte diese Bestimmung einen besonders konzerthaft-virtuosen Charakter. 

Und in der Tat, das Ausmaß an vom Pianisten geforderter Virtuosität ist gegenüber dem Septett op. 25 noch gesteigert; man könnte dies Oktett auch als eine Art Kammer-Klavierkonzert bezeichnen. Verweist schon die Dreisätzigkeit rein äußerlich auf die Satzdisposition des Instrumentalkonzerts, so macht die Eröffnungsgeste unmissverständlich den konzertanten Charakter des Werkes klar: Unter Verzicht auf eine langsame Einleitung wird der erste Satz (Allegro, 4/4-Takt) durch eine grandiose die Grundtonart As-Dur festlegende Kadenz eröffnet, in deren Verlauf gehaltene Bläserakkorde und virtuoses Passagenwerk im Klavier wirksam kontrastieren; als Vorbild für diese majestätisch auftrumpfende Satzeröffnung hat unverkennbar der Beginn von Beethovens 1811 im Druck erschienenen 5. Klavierkonzert gedient. Die eigentlich thematischen Partien sind knapp gehalten und in ihnen treten ausnahmsweise Streicher und Bläser solistisch hervor; das gilt insbesondere für den Bereich des Seitenthemas in der Dominante Es-Dur, der, eingeleitet durch einen Hornruf, aus einem von den Streichern vorgetragenen marschartigen Motiv und einem der Klarinette vorbehaltenen melodiösen Epilog besteht. In der Schlussgruppe brilliert das Klavier zu kurzen kadenzierenden Motiven in Streichern und Bläsern. Der Beginn der Durchführung nimmt den Gestus der Satzeröffnung wieder auf; die Harmonik ist nun aber zu verminderten Septakkorden geschärft und bereitet derart eine spannungsreiche, dramatische Modulationskette vor, die von nervösen 16tel-Repetitionen der Streicher grundiert wird. Dieser folgt eine kontrapunktisch zunehmend sich verdichtende Verarbeitung der Klarinettenmelodie und des Hornrufes aus dem Seitensatz. Eine im Hauptsatzbereich stark verkürzte Reprise schließt den Satz ab.

Der zweite Satz (Andantino, 6/8-Takt, C-Dur) weist eine dreiteilige Bogenform (A-B-A’) auf. Sein Hauptteil ist geprägt vom Kontrast eines melodisch und harmonisch statischen Auftakt-Motivs in den Streichern und einer sanglichen Melodie im Klavier, während der Mittelteil in der Mollvariante, eingeleitet durch ein elegisches Hornmotiv, lediglich ein kurzes, teils dramatisch bewegtes Intermezzo bildet vor der Wiederkehr der in ihrer lyrischen Emphase gesteigerten sanglichen Melodie. Nach einer kandezhaften Wendung im Klavier schließt der Satz, wie er begonnen hatte: mit dem statischen Motiv der Streicher.

Das Finalrondo (Allegretto, 3/4-Takt) beginnt mit einem thematisch reichhaltigen Refrainkomplex, der sehr unterschiedliche Themencharaktere exponiert: ein rhythmisch stark profiliertes Motiv, das kaum melodische Kontur aufweist, in Streichern und Bläsern, dem ein seltsam in sich kreisendes, rondotypisches Thema im Klavier folgt, das anschließend eine Stufe höher und in Moll wiederholt wird; abgeschlossen wird der Refrain durch ein energisch mit synkopischen sforzato-Betonungen und punktiertem Rhythmus voranschreitendes marschartiges Thema. Die Couplets bringen zumeist in Moll gehaltene elegische Kontraste. Eine zu Più Vivace beschleunigte Coda, welche das letzte Glied des marschartigen Themas aus dem Refrain wieder aufnimmt, beschließt den Satz.

Bert Hagels

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