MUSICA OBLITA

Danzi            Eberl            Romberg             Wilms            Neukomm            Spohr             Onslow            Ries            Fesca            Kalliwoda                 Impressum

Zurück zum Verzeichnis

Sonate sentimentale für Flöte / Klarinette und Pianoforte Es-Dur op. 169

Ries’ ursprünglich als Flötensonate konzipierte Sonate sentimentale Es-Dur op. 169 ist laut Autograph und Eintragung in Ries’ eigenhändigem Werkverzeichnis im Jahr 1814 in Godesberg entstanden. Die hohe opus-Zahl erklärt sich daraus, dass das Werk erst 1834 im Druck erschien, und zwar gleichzeitig in der Erstfassung für Flöte sowie in einer von Ries selbst verfassten Bearbeitung für Klarinette. Ries hatte sich nach einer Konzertreise durch Nord- und Osteuropa im April 1813 in London niedergelassen, und dort gelang es ihm, als Komponist, Pianist und Musiklehrer zu reüssieren. Seine materielle Lage gestaltete sich besser, und so konnte er daran denken zu heiraten: Am 25. Juli 1814 ehelichte er Harriet Mangeon (1796-1863), die Tochter eines in England naturalisierten Franzosen. 

Die Hochzeitsreise führte das jungvermählte Paar offenbar in Ries’ Heimat ins Rheinland, und in diesen Flitterwochen ist die Sonate vermutlich komponiert worden; das erklärt auch den Beinamen „sentimentale“, den das Werk auf dem Titelblatt des Drucks trägt. Dieses französische Eigenschaftswort ist im damaligen Wortgebrauch beileibe nicht mit dem pejorativ konnotierten deutschen „sentimental“ zu übersetzen, sondern zielt eher auf eine gefühlsbetonte Eleganz, die auf auftrumpfende Gesten verzichtet – Eigenschaften, die das Werk auch tatsächlich kennzeichnen. 

Das musikalisch gestaltete Bild eines gelassenen Glückszustandes, einer inneren Ausgeglichenheit und Ruhe überlagert die der Sonatenform innewohnenden Dynamik, ihre Kontraste und Konflikte. Gleich das Hauptthema des Kopfsatzes, das nach acht Takten den Tonraum von vier Oktaven akkordisch ausmessender Einleitung einsetzt, ist als weiter, in sich ruhender Melodiebogen des Bläsers gestaltet, und das nach einer die charakteristische Anfangsfigur des Hauptthemas verarbeitenden Überleitung einsetzende  Seitenthema (erwartungsgemäß in der Dominante B-Dur) im Klavier klingt mit seinem Reichtum an Vorhalten und Verzierungen sowie der gleichmäßigen 16tel-Begleitfugration so, als sei es einem eleganten Charakterstück entsprungen. Dieser Eindruck wird verstärkt durch seine Wiederholung durch das Blasinstrument in der ohne modulatorische Vermittlung einsetzenden Tonart Des-Dur – keine Entwicklung, sondern eine stimmungsvolle Neubeleuchtung des Themas, die allerdings jäh durch die Rückmodulation nach B-Dur unterbrochen wird. 

Eine vorübergehend dramatische Episode bildet allenfalls die mit 36 Takten sehr knapp bemessene Durchführung, welche den Kopf des Hauptthemas im Wechsel zwischen Klavierbass und mittlerer Bläserlage in heftig bewegte Modulationen führt, markante Wechsel durch sforzato-Vorschrift hervorhebend; doch bereits die Überleitung zur Reprise bremst den ungestümen Impetus ab, um dem heiter-gelassenen Gestus des Hauptthemas vorzubereiten. 

Der zweite Satz, Adagio con moto, B-Dur, 6/8-Takt, ist als instrumentaler Dialog gestaltet, in dem sich – formal in dreiteiliger Bogenform – Blasinstrument und Klavier auf vielfältigste Weise in Zwiegesprächen ergehen. Bemerkenswert ist insbesondere der Mittelteil, in dem der Dialog (nach einem klagenden Arioso des Blasinstruments) einen nahezu sprechenden Charakter annimmt. 

Der letzte Satz (Rondo Allegro, 2/4-Takt, Es-Dur) bringt trotz seines unverkennbaren rondotypischen Spielcharakters eine Zusammenfassung markanter Stationen des bisherigen Werkverlaufs: Das Refrainthema greift mit seinem anfänglichen Sextsprung und folgendem allmählichen Abstieg zum Grundton deutlich auf das Hauptthema des ersten Satzes zurück; und das erste Couplet (c-Moll) zitiert die klagende Arioso-Melodie aus dem Mittelteil des langsamen Satzes; damit ist die wesentliche thematische Substanz des Satzes bereits exponiert, denn das zweite Couplet (g-Moll) erweist sich als spieltechnisch äußerst anspruchsvolle freie Variationenfolge über das Arioso-Thema und das nach vollständigem Erklingen des Refrainthemas einsetzende dritte Couplet versetzt das Arioso-Thema in die Mollvariante der Grundtonart (es-Moll). Eine mit 50 Takten Länge verhältnismäßig ausgedehnte Coda in beschleunigtem Tempo (più stretto) zerlegt den Beginn des Rondorefrains in seine motivischen Bestandteile und sorgt für einen freudig-ausgelassenen Abschluss.

Bert Hagels

Home        

Danzi            Eberl            Romberg             Wilms            Neukomm            Spohr             Onslow            Ries            Fesca            Kalliwoda                 Impressum