MUSICA OBLITA

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Große Fest-Ouvertüre und Siegesmarsch op. 172

Wann genau Ries seine Festouvertüre mit Siegesmarsch op. 172 komponiert hat, ist nicht mehr zweifelsfrei festzustellen. Ries' eigenhändiges Werkverzeichnis bricht nach Eintragung seines op. 169 ab[1], und auch in seiner Korrespondenz findet sich kein chronologisch vor der Uraufführung liegender Hinweis auf die Ouvertüre. Geschrieben wurde sie für das Niederrheinische Musikfest in Köln im Jahr 1832. 

Ries griff hier offensichtlich nicht, wie in anderen Fällen (etwa der Ouvertüre zu Don Carlos op. 94 für das Musikfest 1828), auf ein früher komponiertes Werk zurück, sondern scheint es eigens für das Musikfest in Köln komponiert zu haben. So hatte er es bereits mit seiner Ouvertüre zu Die Braut von Messina op. 162 gehalten, die für das Niederrheinische Musikfest 1830 bestimmt war und Ende 1829 entstand.[2] 

Man darf also vermuten, dass die Festouvertüre in den ersten Monaten des Jahres 1832 fertig gestellt wurde. Gestützt wird diese Vermutung durch die Tatsache, dass Ries auf dem Titelblatt der autographen Partitur neben dem Datum der Zweckbestimmung („Cöln 1832“) kein weiteres Datum (wie z.B. im Falle von op. 162, das bereits im vorher gehenden Jahr vollendet wurde) angegeben hat.

Ihre erste Aufführung erlebte die Festouvertüre am zweiten Tag des Musikfestes in Köln, am 11. Juni 1832. Triumphierend berichtet Ferdinand Ries am 10. Juli aus Aachen seinem jüngeren Bruder Joseph in London:

Alles war ganz hingerissen – meine neue Fest Ouverture mit einem Siegesmarsch, der mit 8 Hörnern und 8 Trompeten am Ende kömt /: es ist für 4 Hörner und 4 Tromp komponiert :/, hat das Publikum elecktrisiert, wie ich es beinah nie gesehn habe. Ich mußte mich fast 20 mal hinten und vorn bedanken, ehe das Applaudieren aufhörte, und da fingen sie erst an Da Capo zurufen, alles war im Sturm – Vater weinte Freuden Thränen [...].[3]

Ries scheint den Erfolg der Uraufführung genossen zu haben, denn noch einen Monat nach dem Brief an Joseph (also zwei Monate nach der Aufführung) schrieb er an seinen jüngsten Bruder Hubert in Berlin:

„[...] in Cöln gar furchtbar viel zu thuen, indem das Orchestre und Chor aus 570 Personen bestand. Es ist aber so außerordentlich gegangen, daß man wirklich erstaunt seyn muß, solche Massen so zusammen schrauben zu können. Mehr Zufriedenheit im Publikum könnte ich nicht wünschen, es war alles enthusiasmirt – meine Overture gieng außerordentlich – ich hatte zum Siegesmarsch 4 Hörner und 4 Trompeten, die ganz allein angefangen, verdoppeln lassen, und es machte sich wirklich imposant.[4]

Auch zeitgenössischen Berichten ist zu entnehmen, dass Ries’ Ouvertüre einen großen Eindruck hinterlassen haben muss. Die Leipziger Allgemeine musikalische Zeitung berichtet in knappen Worten über den zweiten Tag des Musikfestes:

Den zweyten Abend eröffnete Beethoven’s A dur-Symphonie (No. 7), ausserordentlich ausgeführt und mit stürmischem Beyfalle begrüsst. Darauf Weber’s Jubel-Cantate, eine für dieses Fest componirte Jubel-Ouvertüre aus Es dur von Ferd. Ries, die zum Schlusse alle Effectmittel in die stärkste Bewegung setzt. Das entzückte Publicum verlangte die Wiederholung derselben.[5]

Anders als für die meisten seiner späten Werke fand Ries auch relativ rasch einen Verlag, der bereit war, das Werk herauszubringen und für es zu werben. Im „Intelligenzblatt No. XI.“ vom September 1832 der Allgemeinen musikalischen Zeitung veröffentlichte Schott in Mainz eine großformatige „Subscriptions-Anzeige für die Grosse Fest-Ouverture und Sieges-Marsch für grosses Orchester von Ferdinand Ries. Op. 172.“ mit dem Wortlaut:

Dieses grossartige Musikstück, welches während dem diessjährigen Niederrheinischen Musikfest in Cöln aufgeführt, und wodurch sich der Compositeur den Lorberkranz [sic!] erworben hat, wird in unserm Verlage als Eigenthum erscheinen. / Die öffentlichen Beurtheilungen drücken sich folgendermaassen aus: ‚Die zweyte Abtheilung vom zweyten Festabende begann mit einer neuen zu dem Feste von Ferd. Ries componirten Ouverture, die, überhaupt dem jetzigen Zeitgeschmacke huldigend, nach einer tragischen Einleitung, zum Theil einen glänzenden Festmarsch, zum Theil ein überraschend wirksames Motto zum Motive hat, und unaufhaltsam in einem Allegrosatze ausbraust. Ein allgemeines Hurrah- und Vivatrufen folgte unwillkührlich diesem effectvollen Tonstücke. Sowohl bey den begeisterten Zuhörern als selbst im Orchester ward sogleich einstimmig die Aufforderung zum Da Capo gehört.’ / Wir nehmen auf diese Composition von den respectiven Musik-Directionen der Theater und sonstigen Vereinen [sic!] die Bestellungen mit dem Bemerken an, dass wir solchen festen Vorausbestellungen den um den vierten Theil billigern Subcriptionspreis werden angedeihen lassen, als der nachherige Ladenpreis betragen wird. / Dieselbe Ouvertüre erscheint zugleich für Pianoforte zu 4 und 2 Händen. / Mainz, im August 1832. B. Schott’s Söhne, / Grossherzogl. Hessische Hofmusikhandlung.[6]

Der Verlag ließ der Ankündigung auch bald Taten folgen; im Heft vom März/April 1833 der Hofmeisterschen Monatsberichte musikalischer Neuerscheinungen zeigt Schott das Erscheinen des Stimmdrucks an, im April folgt der Klavierauszug zu vier Händen, im November/Dezember ein Arrangement für Militärmusik von Joseph Küffner.[7] Ob es zu der in der oben zitierten Anzeige angekündigten Ausgabe für Klavier zu zwei Händen und zu den auf dem Titelblatt des Stimmdrucks angekündigten Bearbeitungen für Flötenquartett und für Streichquartett gekommen ist, ist nicht bekannt; nachweisbar ist lediglich ein Arrangement des Siegesmarsches für Klavier solo, dessen Erscheinen von Schott im September/Oktober 1837 angezeigt wird.[8]

Im Oktober 1833 veröffentlichte die Allgemeine musikalische Zeitung eine Rezension von Stimmdruck und vierhändigem Klavierauszug. Darin zeigt sich der Verfasser irritiert über Ries’ eigenwillige Formgebung, kann dem Werk aber eine gewisse Anerkennung nicht versagen:

Aus der vierhändigen Bearbeitung für das Pianoforte ersehen wir in Ermangelung der Partitur, dass sie gar nicht nach dem gewöhnlichen Schlage gedacht und ausgeführt ist, vielmehr hat sie etwas durchaus Sonderbares, dem romantischen Geschmacke der neuen Zeit Angehöriges, was schon im gut gefertigten Auszuge etwas wunderlich Anlockendes, sogar im Abstossenden seltsamer Zwischensätze hat. Ist nun, wie man es dem geübten Componisten zutrauen muss, Licht und Schatten im Orchesterwerke gehörig effectuierend vertheilt; sind die eigenthümlichen Charaktertöne der einzelnen Instrumente wohl benutzt, was wir gleichfalls voraussetzen dürfen: so muss diese eigene Ouverture eine wunderbarliche Wirkung hervorbringen. Es bleibt nur dreyerley übrig: entweder ist sie bizarr, oder meisterhaft, oder Beydes gemischt, also auf alle Fälle der Aufmerksamkeit der Orchester sehr werth.[9]

Mit dreijähriger Verspätung erschien in Schotts hauseigener Musikzeitschrift, der Caecilia, eine sehr ausführliche Rezension[10], in welcher der Verfasser, der Würzburger Professor und Universitätsmusikdirektor Joseph Fröhlich (1780-1862), „dieses schöne Gebilde des mit Recht so hochgeschätzten Verfassers“ einer umfänglichen philosophisch-historischen Betrachtung unterzieht, ausgehend von der in den 1830er Jahren immer noch aktuellen These romantischer Musikphilosophie, gelungene Musikstücke seien „objective Ausdrücke des menschlich-göttlichen Geistes, Symbole des Absoluten“, der freilich dank den „zufälligen Modificationen des Zeitalter“ zum „Zeitgeist[11] werde. Das Verhältnis von Absolutem und Zeitgeist näher zu bestimmen, sei Aufgabe der Kritik; als drittes Kriterium komme die „besondere Bestimmung“ hinzu, die bei dem Werk von Ries bereits im Titel ausgesprochen sei.[12] Dieser Zweckbestimmung genüge das Werk vollkommen, indem „das Ganze den Grundton männlichen Jubels, würdig heiterer Stimmung, welcher, auf die mannigfaltigste Weise entfaltet, die Hörer mit jener Grundstimmung erfüllt, welche zur würdigen Vorbereitung der Feier führt und zum Auffassen der vorzutragenden Kunstwerke befähiget [...].“[13] Über die Zweckbestimmung hinaus erfülle die Ouvertüre aber auch jene Anforderungen, welche ihre zeitliche Stellung an sie richtet. Diese sei nach zwei Richtungen hin zu beurteilen: einmal gemäß ihrer Stellung im Verlauf der Musikgeschichte, und zum zweiten nach ihrer Fähigkeit den unmittelbaren Zeitgeist auszudrücken. Beides sei Ries gelungen: Einerseits suche er „Effecte mit Massen“, das Werk habe eine „sehr starke Besezzung mit durchdringenden Instrumenten“, die „zu neuen Wirkungen auf eine eigenthümliche Weise[14] benutzt würden; andrerseits habe Ries diese effektiven Mittel nicht „der äusseren Wirkung wegen“ verwendet, sondern „es ward kunstmässig gestaltet“, „es dient, um den Grundcharacter des Ganzen, sowie die Hauptidee mit Wahrheit, Schönheit, und im reichsten Leben zu entwickeln.“ Als Beleg dient Fröhlich die Tatsache, dass „der feierlich würdige Character des Siegesmarsches schon in dem Allegro con brio eingeführt“ wird; die allmähliche Steigerung der „Gemüthsstimmung bis an’s Ende zum grössten Jubel, zum vollsten Entströmen“, sei Ries trefflich gelungen. Doch nicht nur dem „Gemüthlichen“, auch dem „Geistigen“ widerfahre volles Recht: „Ein Grundgedanke herrscht durch das Ganze Tonstück. Sinnig wird er vorbereitet, genial eingeführt, geistvoll löset er sich bald in kleinere Glieder auf, bald verbindet er sich mit interessanten Ideen.[15] Daraus resultiere „die grosse und sichere Wirkung, welche das Werk erzeugen muss, wenn es richtig ergriffen und mit Geist und Leben ausgeführt wird.“ Das Werk sei jedem „Musikdirektor“ als „feierliche Einleitung [...] vorzüglich zu großen Festen“ zu empfehlen. Zusammenfassend hält Fröhlich fest, das Werk entspreche ebenso vollkommen seiner „Bestimmung“, wie es „der Forderung der Zeit und Kunst“ genüge. An ihm könnten angehende Komponisten lernen, „wie man seiner Zeit genüget, und denn doch über dieser stehet.[16]

So Unrecht hatte Fröhlich vorderhand mit seiner Einschätzung nicht, denn die Festouvertüre avancierte in der Folge zu einem recht häufig gespielten Zugstück bei den Musikfesten im deutschsprachigen Raum. Am 11. Oktober 1833 erklang sie im Rahmen des Musikfestes in Mühlhausen/Thüringen: „sie wurde mit vieler Präcision aufgeführt und gefiel allgemein.[17] 

In Straßburg, wo Anfang April 1836 ein Musikfest zur „Säcular-Feier der Erfindung der Buchdruckerkunst“ stattfand, hatte man offensichtlich Schwierigkeiten mit den von Ries verlangten Orchestermassen: „Auch diese Ouverture ging [...] vortrefflich; leider musste der Mangel an guten ersten Trompeten durch andere Hülfsmittel ersetzt u. die ersten Stimmen durch Hoboen, Clarinetten u.s.w. geblasen werden [...].“[18] In Straßburg scheint es zu einer regelrechten Aufführungstradition der Ouvertüre gekommen zu sein: Am 14. September 1839 erklang sie erneut anlässlich eines Wohltätigkeitskonzertes im Theater[19], sowie ein drittes Mal – wiederum im Straßburger Theater – am 19. April 1846.[20] 

Auch die von dem Würzburger Militärmusiker Joseph Küffner (1756-1856) verfasste Bearbeitung der Ouvertüre für Militärmusik ist nachweislich aufgeführt worden: so während der Festlichkeiten anlässlich der Enthüllung des Gutenberg-Denkmals in Mainz Mitte August 1837[21] und zur ebendort stattgehabten Jubiläumsfeier zur Erfindung des Buchdrucks im Juni 1840.[22]

Im Konzertsaal machte das Werk indes nach zeitgenössischer Einschätzung weniger Eindruck als im Rahmen der großen Musikfeste: In Leipzig, wo das Werk im November 1833 durch den Musikverein „Euterpe“ zur Aufführung kam, hielt man es nur für „bizarr[23]

Als das Werk als Eröffnungsstück in einem Virtuosenkonzert am 21. Dezember 1835 in Dresden erklang, hieß es in einer Besprechung: „Gewaltiger Aufwand von Mitteln und wenig Wirkung. Dem bekannten, verdienten Meister schien sein Werk nicht mit gehöriger Klarheit vorgeschwebt zu haben, ehe er es niederschrieb.[24] 

Anlässlich einer Aufführung in Berlin im Februar 1837 wurde das Problem beim Namen genannt: „Eine Festouverture von Ferd. Ries wurde für diese Versammlungen zu geräuschvoll und auf Effect berechnet gefunden.[25] 

In London, Ries’ einstiger Wahlheimat, erklang das Werk am 5. Mai 1834 im Rahmen der Konzerte der Philharmonic Society. Eine englische Kritik, die in deutscher Übersetzung in der von Robert Schumann herausgegebenen Neuen Zeitschrift für Musik erschien, hebt die Schwierigkeiten mit der Rezeption durch den ersten Höreindruck hervor (wobei unklar ist, ob es in London überhaupt eine Gelegenheit zum zweimaligen oder gar dreimaligen Hören gegeben hat):

Beschäftigen wir uns erst mit der Neuigkeit, mit der Ries’schen Ouverture; denn eine Neuigkeit, im Original, von dem keine Copie vorhanden, ist sie gewiß. Sie gleicht einem in unbekannten Chiffern geschriebenen Brief. Beim ersten Blick schwimmen diese ganz chaotisch und fremdartig vor unseren Augen; dann läßt sich eine Gestalt von der andern sondern; ein plötzlicher Lichstrahl klärt das Gewirre auf, man erkennt den wahren Buchstaben, und die Worte gruppiren sich nach und nach so verständlich, daß der Sinn endlich klar und concis vorliegt. So diese Ouverture. Bei einmaligem Hören complette Finsterniß und vergeblich sucht das Ohr einen Gegenstand zum Festhalten; bei zweimaligem Hören indeß findet es ihn, und bei dreimaligem erkennen wir die Intention des Componisten und folgen derselbe ohne Mühe.[26]

Sollte man nun der Meinung sein, der Rezensent habe die nach mehrmaligem Hören einsetzende, immanent musikalische Verständlichkeit angesprochen, so sieht man sich durch den Fortgang der Rezension getäuscht; der Verfasser bietet nun eine hermeneutische Interpretation an, bei welcher der Leser freilich nicht ganz sicher sein kann, wie ernst es ihm damit ist, wenn als hypothetisches Sujet unter Anspielung auf Ben Jonsons Komödie Bartholemew Fair von 1614 die Feierlichkeit unterstellt wird, mit welcher der Londoner Bürgermeister alljährlich den altehrwürdigen, gleichnamigen Londoner Jahrmarkt eröffnet. Die rezensentische Digression ist von solch kunstvoller Ironie, dass sie hier vollständig wiedergegeben werden soll:

Der Tondichter hat sich vorgenommen, uns hier das Bild einer berühmten Londoner Feierlichkeit zu geben: den Lord Mayor, wie er die Messe von Bartlemy proclamirt; - eine glückliche Idee, welche der Componist höchstwahrscheinlich seinem letzten Londoner Aufenthalt zu danken hat. Es zieht sich ein verächtliches Lächeln um Deine Lippen, verehrter Leser – wie, weißt Du wirklich nicht, daß Jouson [recte: Jonson], der gelehrte Jouson [Jonson] es nicht unwürdig hielt, seine gelehrte Muse durch diese so stattliche Feierlichkeit zu inspiriren? Also, der Lord Mayor geht die Treppe von Mansion House hinunter – eine Fanfare von Trompeten und die Acclamationen des Volks verkündigen, daß er im Ceremonie-Wagen Platz genommen hat – es setzt sich die Equipage in Bewegung – der Lärm der Diligencen, Omnibus, Karren wird noch durch die Töne der großen Glocke überboten, - an der Ecke von Old Bacley wirft ein Dampfwagen den andern um – Confusion – Geschrei – der Lärm verliert an Stärke – der Lord Mayor kommt in Newgate an – er und der würdige Gouverneur trinken einen Krug Bier zusammen – eine erwartungsvolle Stille verkündet, daß sich die Procession bald wieder in Bewegung setzen wird – nun beginnt sie von neuem – die bürgerlichen Trompeter zeichnen sich besonders aus – die Menge stürzt durch Giltspudstreet – der Tumult steigt – der Lord Mayor betritt Smithfield und die Messe ist proclamirt – man hört die rivalisirenden Musikbanden von Wambwele und Richardson nicht mehr vor der Unmasse von Schnurren, Pfeifen, Kindertrompeten, Becken, welche von schreienden Verkäufern in Bewegung gesetzt werden, um der jungen Welt das Geld aus der Tasche zu locken – einen ganz guten Baß dazu gibt das Gebrüll mehrer Löwen, Hyänen und Tiger. So endet die Ouvertüre. – Obgleich wir uns an die Beschreibung dieses in seiner Art einzigen Werks gewagt haben, verhindert uns die Bescheidenheit eine Meinung über sein Verdienst auszusprechen. Da das Publikum diese unsere Beschreibung nicht kannte, so hörte es die ganze Ouverture mit dumpfer Gleichgültigkeit an. Daher adressiren wir sie in Unterthänigkeit an die Directoren, damit sie sie das nächstemal auf das Programm setzen lassen.[27]

In Paris hingegen scheint die Ouvertüre besonderes Gefallen gefunden zu haben. Als Ries sich im November 1836 in der französischen Hauptstadt aufhielt, schrieb er seinem Bruder Joseph freudig überrascht nach London:

Ich muß gestehen, ich werde überall so freundlich und ausgezeichnet empfangen, daß es mir Freude macht: auch kennen sie weit mehr von meiner Musik, als ich erwartete. Besonders zeichnet sich darin aus Meyerbeer, Habeneck, Halevy [...] und Onslow. [...] Alles ohne Ausnahme, Liebhaber und Künstler, spricht mir von meiner Fest Overture mit dem Triumpf [sic!] Marsch, ich bin neugierig, ihn hier zu hören, denn er scheint ein total Schlag=Effekt auf alle gemacht zu haben.[28]

An einen Freund in Frankfurt schrieb er am 30. Dezember Ähnliches:

Übrigens kann ich Ihnen nicht sagen, wie sehr ich durch meinen Empfang in Paris überrascht und erstaunt wurde; wirklich war es von allen Seiten ausgezeichnet schmeichelhaft, und besonders hat mir viele Freude gemacht, daß man so viele meiner Kompositionen gründlich kennt. Ich hörte meine Festouvertüre zweimal von einem ausgezeichneten Orchester von 84 Personen aufgeführt – der Marsch ist ein sehr großes Favoritstück der Franzosen und ist voriges Jahr 140 mal aufgeführt worden. Ich habe heimlich meinem Gott gedankt, daß ich ihn nicht allemal anzuhören brauchte.[29]

Eines der beiden von Ries erwähnten Konzerte - organisiert durch die „Athénée musicale“ - fand am 24.11.1836 statt.[30]

Weitere Aufführungen sind für den Winter 1834/35 in Nürnberg („Concerte im Museum“ unter „Köhler“)[31] sowie für den 25. Juni 1841 in Potsdam anlässlich des Stiftungstages der dortigen Philharmonischen Gesellschaft nachweisbar.[32] Eine weitere Produktion des Werks, die in den ersten Monaten des Jahres 1836 in Mannheim statt gefunden haben muss, wird von Ries in einem Brief an Anton Schindler erwähnt.[33]

Bert Hagels

[1] Die Kompositionsdaten aus Ferdinand Ries’ eigenhändigem Werkverzeichnis sind veröffentlicht in: Cecil Hill, Ferdinand Ries. A Study and Addenda, Occasional Paper No. 2, Department of Music, University of New England 1982, S. 60-65.

[2] Vgl. „Vorwort“, in: Ferdinand Ries, Ouvertüre zu ‚Die Braut von Messina’ op. 162, hrsg. von Bert Hagels, Berlin 2008, S. I.

[3] Ferdinand Ries an Joseph Ries, 10.07.1832, zitiert nach: Ferdinand Ries, Briefe und Dokumente, bearbeitet von Cecil Hill, Bonn 1982, S. 555.

[4] Ferdinand Ries an Hubert Ries, 11.08.1832, zitiert nach: Ferdinand Ries, Briefe und Dokumente, a.a.O., S. 562.

[5] „Viertes Rheinisches Musikfest zu Cöln am 10ten und 11ten Juny dieses Jahres“, in: Allgemeine musikalische Zeitung [im Folgenden: AmZ] 34 (1832), Sp. 552-553; hier Sp. 552. Mit der „Jubel-Cantate“ ist die Jubel-Kantate zum Regierungsjubiläum des sächsischen Königs Friedrich August JV 244 von Carl Maria von Weber gemeint.

[6] Veröffentlicht in „Intelligenz-Blatt zur allgemeinen musikalischen Zeitung“ No. XI, S. 46f., ausgeliefert mit AmZ 34 (1832), No. 39 vom 26.09.1832. Die gleiche Anzeige auch in der bei Schott erscheinenden Zeitschrift Caecilia 14 (1832), Beilage S. 75-76.

[7] Angaben nach: Projekt „Hofmeister XIX“ [Stand: 16.03.2013].

[8] Vgl. auch: Cecil Hill: Ferdinand Ries. A Thematic Catalogue, Armidale/Australia 1977, S. 178f.

[9] „[Rezension:] Grande Ouverture et Marche triomphale pour grand Orchestre composée [...] par Ferd. Ries [...]“, in. AmZ 35 (1833), Sp. 685-686. Eine kurze Anzeige der Bearbeitung für Militärmusik in: AmZ 36 (1834), Sp. 132.

[10] Joseph Fröhlich, „[Rezension:] Grosse Fest-Ouvertüre und Siegesmarsch, für grosses Orchester; komponirt für das Niederrheinische Musikfest in Köln 1832, von Ferdinand Ries“, in: Caecilia 17 (1835), S. 192-199.

[11] Fröhlich, op. cit., S. 192.

[12] Fröhlich, op. cit., S. 193.

[13] Fröhlich, op. cit., S. 194.

[14] Fröhlich, op. cit., S. 196.

[15] Fröhlich, op. cit., S. 197f.; Hervorhebung original.

[16] Fröhlich, op. cit., S. 198.

[17] „Musikfest zu Mühlhausen in Thüringen, am 10ten, 11ten und 12ten October“, in: AmZ 35 (1833), Sp. 733-738, hier Sp. 736.

[18] „Musikfest. Strassburg“, in: AmZ 38 (1836), Sp. 708-712, hier Sp. 711.

[19] „Strassburg“, in: AmZ 41 (1839), Sp. 725-726; hier Sp. 726.

[20] „Strassburg“, in: AmZ 48 (1846), Sp. 723-726, hier p. 725.

[21] Vgl. M.G. Friedrich [i.e. Friedrich Melchior Gredy], „Das Fest der Inauguration des Gutenberg-Monumentes in Mainz, am 14., 15. und 16. August 1837“, in: Caecilia 19 (1837), S. 242-251, hier S. 250, Fußnote.

[22] Jakob Peth, Geschichte des Theaters und der Musik zu Mainz. Ein Beitrag zur deutschen Theatergeschichte, allen Freunden der deutschen Bühne gewidmet, Mainz 1879, S. 222.

[23] „Leipzig, am 30sten November“, in: AmZ 35 (1833), Sp. 831-838; hier: Sp. 837.

[24] Carl Borromäus von Miltitz, „Dresden, am 21. Dec. 1835“, in: AmZ 38 (1836), Sp. 116-119; hier Sp. 116.

[25] „Berlin, den 7. März 1837“, in: AmZ 39 (1837), Sp. 193-196, hier Sp. 193.

[26] „Englische Musikkritik (Aus dem Spectator.)“, in: Neue Zeitschrift für Musik 1 (1834), S. 99-100; hier S. 99.

[27] Op. cit., S. 99.

[28] Ries an Joseph Ries, 15.11.1836, zitiert nach: Ferdinand Ries, Briefe und Dokumente, a.a.O., S. 735. Hervorhebung original.

[29] Ries an Jacob Schuster, 30.12.1836, zitiert nach: Ferdinand Ries, Briefe und Dokumente, a.a.O., S. 740.

[30] Anmerkung 3 zum Brief vom 15.11.1836, in: Ferdinand Ries, Briefe und Dokumente, a.a.O., S. 736.

[31] C. M.: „Nürnberg, Juli, 1835“, in: AmZ 37 (1835), Sp. 650-653, hier Sp. 652.

[32] „Potsdam, den 16. Oktober“, in: AmZ 43 (1841), Sp. 878-880, hier Sp. 879.

[33] Ries an Anton Schnidler, 04.05.1836, in: Ferdinand Ries, Briefe und Dokumente, a.a.O., S. 717.

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