MUSICA OBLITA

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Sinfonie Nr. 7 a-Moll op. 181

Die siebte und letzte Sinfonie von Ferdinand Ries entstand im Frühjahr und Sommer 1835, im Abstand von 12 Jahren nach der Komposition der Sinfonie Nr. 6 und der (ungezählten) Sinfonie WoO 30. Der Anlass war offenbar ein Kompositionsauftrag, wie Ries seinem in London lebenden Bruder Joseph am 09. März 1835 mitteilt: 

"[...] ich will jetzt eine Sinfonie schreiben, die für Wien bestellt ist."[ 1

Nach Jahren der Erfolglosigkeit scheint Ries gewisse Hoffnungen in die Sinfonie gesetzt zu haben; am 20. April erfährt der Bruder: 

"Von meiner Sinfonie, die ich in Arbeit habe, versprech ich mir viel."[ 2

Anfang Juli teilt Ries seinem Bruder den Beginn der Komposition des Finale mit, nicht ohne noch einmal darauf zu verweisen, dass es sich um einen Auftrag handele: 

"Von Wien aus haben eine Gesellschaft Liebhaber eine Sinfonie bey mir bestellt, ich bin am letzten Allegro, sie wird nicht schlecht, das kann ich Dir sagen."[ 3

Ries muss zügig gearbeitet haben; denn schon am 24. Juli quittierte er auf einer Abschrift der Partitur die Übertragung der Eigentumsrechte an die Wiener Verleger Trentsensky & Vieweg. Mit Datum vom 31. August wurde die Partitur an das Verlagshaus S. A. Steiner, dessen Inhaber damals Tobias Haslinger war, weiter veräußert. 

Haslinger war gerade in diesem Jahr (1835) maßgeblich an der Organisation eines Sinfonienwettbewerbes beteiligt, von dessen Publizität er sich Vorteile für die Absatzchancen seiner Verlagsprodukte erhoffte.[ 4 ] Zur Teilnahme an diesem Wettbewerb waren die Komponisten aufgefordert worden, ihre Sinfonien anonym, aber mit einer der Identifizierung dienenden Devise versehen, "an die k.k. Hof- und privil. Kunst- und Musikalienhandlung des Herrn Tobias Haslinger in Wien frankirt einzusenden"[ 5 ], wie es im offiziellen, in verschiedenen deutschsprachigen Musikzeitschriften publizierten Ausschreibungstext heißt. Dem Sieger winkte ein Preisgeld von 50 Dukaten und Aufführungen des preisgekrönten Werkes in den angesehenen Wiener Concerts spirituels

Haslinger scheint nun die Sinfonie von Ries in der Absicht erworben zu haben, diese als Wettbewerbsbeitrag einzureichen, um - im Falle einer Prämierung - ein preisgekröntes Werk auf den Markt bringen zu können. Die nach Wien abgegangene Abschrift der Sinfonie erhielt ein neues Titelblatt ohne Namen des Komponisten, aber mit der Devise "Ich habe das Meine gethan" versehen. Dass das Werk tatsächlich eingereicht wurde, wird durch die Veröffentlichung von Tonarten und Devisen der eingesandten 57 Sinfonien im Dezember 1835 belegt; dort erscheint als Nr. 15 eine Sinfonie in a-Moll mit der Devise "Ich habe das Meine gethan".[ 6 ] Ries selbst scheint nicht um seine Einwilligung gebeten und erst im Nachhinein von seiner unfreiwilligen Teilnahme am Wettbewerb unterrichtet worden zu sein; am 16. Juni 1836 schreibt er an Joseph Ries:

Auch kömt wohl bald eine neue Sinfonie heraus. Du wirst Dich erinnern, daß eine Gesellschaft Liebhaber in Wien vorigen Sommer eine Sinfonie bey mir bestellt hat - ich höre jetzt zu meinem großen Erstaunen, daß Haslinger /: der mir immer so schlechte Gebothe gemacht hat, daß ich ihm nie ein M. S. verkaufen konnte oder wollte :/ diese Sinf: von diesen Liebhabern an sich gekauft und auch zur Preis Arbeit für Sinfonien eingegeben hat. Was man nicht erlebt![ 7 ]

Die Hoffnung auf die Publikation der Sinfonie war freilich vergeblich; denn schon im Januar 1836 hatte die Jury den Preisträger, Franz Lachner, und einige der Erwähnung für besonders würdig gehaltene Kompositionen bekannt gegeben[ 8 ]; die Sinfonie von Ries war nicht darunter[ 9 ]; und Haslinger dürfte kein Interesse an einer Veröffentlichung mehr gehabt haben. So blieb diese letzte Sinfonie von Ferdinand Ries ungedruckt; auch über eine Aufführung ist nichts bekannt. Ries selbst scheint von seinem anfänglichen Optimismus hinsichtlich des Werkes später Abstand genommen zu haben; denn als er anlässlich einer seiner letzten Konzertreisen die Gelegenheit hatte, eine seiner Sinfonien durch das wegen seiner Präzision und Aufführungskultur berühmte Orchester des Konservatoriums in Paris aufführen zu lassen, entschied er sich für seine vierte Sinfonie.[ 10 ]

Bert Hagels

[ 1 ] Ferdinand Ries, Briefe und Dokumente, bearbeitet von Cecil Hill, Bonn 1982, S. 672.
[ 2 ] Ferdinand Ries, op. cit., S. 673.
[ 3 ] Ferdinand Ries, op. cit., S. 682.
[ 4 ] Vgl. Ulrich Konrad, Der Wiener Kompositionswettbewerb 1835 und Franz Lachners Sinfonia passionata, in: Augsburger Jahrbuch für Musikwissenschaft 3 (1985), S. 209-239; hier S. 212.
[ 5 ] Zitiert nach: Ulrich Konrad, op. cit., S. 211.
[ 6 ] Siehe z.B. Neue Zeitschrift für Musik 3 (1835), S. 200; zu den näheren Umständen vgl. Ulrich Konrad, op. cit., S. 214; die bei Konrad aufgeführte Liste der eingereichten Sinfonien ist also um das vorliegende Werk zu ergänzen.
[ 7 ] Ferdinand Ries, op. cit., S. 701f.; Unterstreichungen im Original.
[ 8 ] Vgl. Ulrich Konrad, op. cit., S. 215; eine analytisch gestützte Würdigung der preisgekrönten Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 52 mit dem Beinamen Sinfonia passionata ebd., S. 230ff.
[ 9 ] Zu Ries' Ehrenrettung sei angemerkt, dass schon zeitgenössische Beobachter daran zweifelten, dass die lediglich mit Wiener Komponisten besetzte Jury ihrem Urteil ausschließlich musikalische Kriterien zu Grunde legte; vgl. Ulrich Konrad, op. cit., S. 227ff.
[ 10 ] Vgl. die Briefe an Joseph Ries vom 10. März, 1. und 7. April 1837; Ferdinand Ries, op. cit., S. 745, 748 und 752.

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