MUSICA OBLITA

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Sonate für Pianoforte und Violoncello A-Dur op. 21

Die Cello-Sonate A-Dur op. 21 ist (wie die Sonate C-Dur op. 20) Ries' ehemaligem Cello-Lehrer Bernhard Romberg gewidmet. Beide Werke erschienen im Jahr 1810 gleichzeitig in Originalbesetzung und in einer Bearbeitung für Violine und Klavier. Für ihre Beliebtheit beim zeitgenössischen Publikum spricht die Tatsache, dass sie in Paris und London nachgedruckt wurden. In dieser Zeit hatte sich Ries im deutschsprachigen Raum schon einen Namen als Pianist und Komponist von Klavierwerken gemacht, wenn auch sein Versuch, sich in Wien und später in Paris als Komponist und Pianist fest zu etablieren, vergeblich war. Die beiden genannten Cellosonaten entstanden in einer Situation, in der Ries sich vorübergehend in seiner Heimatstadt Bonn aufhielt, um Ende 1810 zu einer Konzertreise nach Russland aufzubrechen. Möglicherweise sind die beiden Werke in Hinblick auf diese Reise komponiert worden; denn 1811 trifft Ries in St. Petersburg wieder auf seinen Lehrer Romberg, mit dem er gemeinsam Konzerte veranstaltetet.

Schon die zeitgenössische Musikkritik zog das A-Dur-Werk dem C-Dur-Werk vor: Die in Leipzig erscheinende Allgemeine Musikalische Zeitung erklärt op. 21 in einer Rezension vom Dezember 1811 kurzerhand zu „einer trefflichen Sonate“, während Ries in Hinblick auf op. 20 vor „gewissen figurirten Gemeinplätzen“ gewarnt wird. Die Satzfolge der Sonate A-Dur op. 21 ist ungewöhnlich für die normalerweise zwei- oder dreisätzige Gattung; sie gehorcht dem klassischen, viersätzigen Muster der Sinfonie und des Streichquartetts mit der Abfolge von schnellem Sonatensatz, Andante, Menuett und Finale in Rondo-Form; der schon zitierte zeitgenössische Rezensent bestätigt, dass die Sonate „sowol was Charakter und Empfindung, als was Ausarbeitung in artistischer und technischer Hinsicht, wie ein schönes, bedeutendes Quartett behandelt“ sei.

Zeitliche Nähe zu und identische Tonart mit Beethovens op. 69 legen es nahe, dass Ries das Werk seines Lehrers als Gegenstand der kompositorischen Auseinandersetzung für sein op. 21 gedient hat. Gemeinsamkeiten und Unterschiede werden schon an der Bildung des Hauptthemas des ersten Satzes deutlich: sowohl Beethoven als auch Ries komponieren ein sangliches, durch kleinintervallige Melodieschritte charakterisiertes Hauptthema, das dem Satz in beiden Fällen einen lyrischen Grundzug verleiht. Ähnliches gilt für das in der Dominante stehende Seitenthema: in beiden Fällen handelt es sich um ein durch absteigende Dreiklänge gebildetes Thema (das allerdings bei Beethoven durch eine aufsteigende Linie kontrapunktiert wird), das im Gegensatz zu den unregelmäßig gebauten Hauptthemen völlig regelmäßig in zwischen Tonika und Dominante pendelnde Einheiten von zwei und vier Takten gegliedert ist. 

Anders als Beethoven legt Ries jedoch nicht so sehr Wert auf thematische Stringenz; die Überleitung vom Haupt- zum Seitenthema, deren motivische Substanz bei Beethoven aus dem Material des Hauptthemas abgeleitet ist, gestaltet Ries durch virtuoses Passagenwerk, das zwischen Klavier und Violoncello dialogisierend aufgeteilt ist, und durch eine harmonische Vorhaltsbildung (in der neapolitanischen Tonart C-Dur) vor der Doppeldominate H-Dur, die eine eigene kurze, chromatische Melodie ausprägt. 

Die Durchführung dieses Satzes verarbeitet vor allem Bruchstücke des Hauptthemas und leitet mit Engführungen des erwähnten chromatischen Motivs aus der Überleitung zur leicht verkürzten Reprise über. Die Coda greift überraschend noch einmal den neapolitanischen Vorhalt (jetzt F-Dur vor der Dominante E-Dur) auf, bevor der Satz mit dem Material schließt, das auch die Exposition beendet hatte. – 

Der zweite Satz, ein Andantino quasi Allegretto in D-Dur und im 6/8-Takt, ist seiner Form nach ein zweiteiliger Sonatensatz ohne Durchführung mit einem Hauptthema im gehenden Andante-Duktus, einer vorwiegend in Molltonarten gehaltenen Überleitung, die den Solisten viel Raum zum Dialogisieren läßt, und einem zarten, lyrischen Seitenthema in hoher Lage. Auffallend ist indes hier die Wiederaufnahme des harmonischen Kunstgriffes aus dem ersten Satz, die Coda mit einer unerwarteten Rückung zur neapolitanischen Tonart (Es-Dur) zu beginnen, um den Satz dann unter mehrfacher Bestätigung der Grundtonart enden zu lassen. 

Das Menuett in der Grundtonart A-Dur zeigt zum ersten Mal Ries‘ Vorliebe für die archaisierende Behandlung des ursprünglich höfischen Tanzes, die er in seiner Sinfonik zur Vollendung bringen sollte; der Tanzgestus bleibt zwar beibehalten, wird jedoch durch eine Vielzahl unerwarteter harmonischer Wendungen und metrischer Verschiebungen verfremdet. Das Trio in a-Moll exponiert demgegenüber sehr viel stärker den wiegenden Duktus des3/4-Taktes. 

Die Unterschiede zu Beethoven werden erneut in der Gestaltung des Finalsatzes deutlich: Während Beethoven, wiederum um thematische Stringenz bemüht, das Hauptthema seines in Sonatenform gehaltenen Finalsatzes aus dem Material des lyrischen Gedankens aus dem Kopfsatz ableitet, gibt Ries seinem Satz vordergründig die Form eines traditionellen Kehraus-Finales mit einem typischen Rondo-Thema, wie man es vor allem aus den Sinfonien und Streichquartetten Joseph Haydns kennt. Der perpetuum-mobile-Charakter des Finalthemas wirkt indes durch die Verwendung von Fermaten eigentümlich gebrochen, ein Eindruck, der durch die Tonart (a-Moll) noch verstärkt wird. Die Rondoform mit der Wiederkehr des Anfangsthemas in der Mitte des Satzes wird überlagert durch Elemente der Sonatenform: das erste Couplet steht in der Durparallele C-Dur und gewinnt so, wenn es auch kein ausgeprägtes Thema aufweist, den Charakter eines Seitensatzes; nach der Wiederaufnahme des Rondothemas in der Grundtonart folgt ein wiederum thematisch unspezifisches Couplet in A-Dur, dem sich ein durchführungsartiger Abschnitt anschließt; und schließlich entsteht eine reprisenartige Situation durch die Wiederholung des ersten Couplets auf der Tonika A. Der Satz wird beschlossen durch eine Coda, die den Kopf des Rondothemas zu einer kurzen Stretta erweitert.

Bert Hagels

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