MUSICA OBLITA

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Sinfonie Es-Dur WoO 30

Ries komponierte die Sinfonie Es-Dur WoO 30 ausweislich des Autographs im Jahr 1822 in London, etwa gleichzeitig mit der Sinfonie Nr. 6 D-Dur op. 146. Die Tatsache, dass das Werk von Ries nicht in die Zählung seiner Sinfonien aufgenommen wurde, ist weniger Ausdruck mangelnder Wertschätzung durch den Komponisten, sondern folgt aus Ries' Gewohnheit, seine Werke in der Reihenfolge ihrer Veröffentlichung durchzunummerieren. So wurde beispielsweise aus der chronologisch zweiten Sinfonie die Sinfonie Nr. 5 op. 112, und da WoO 30 nicht publiziert wurde (worin man freilich auch Vorbehalte des Komponisten gegenüber seinem Werk sehen kann), ist die Sinfonie nicht mitgezählt worden. 

Über Aufführungen in Ries' Londonder Zeit (bis zum Sommer 1824) ist nichts bekannt; nach seiner Rückkehr ins heimatliche Rheinland nimmt Ries jedoch die Gelegenheit wahr, die ihm mehrfach übertragene Leitung der Niederrheinischen Musikfeste zur Aufführung eigener Werke zu nutzen. So kommt gleich zu Pfingsten 1825 in Aachen - neben der ersten Aufführung der neunten Sinfonie von Beethoven nach deren Wiener Uraufführung - eine Sinfonie in Es-Dur von Ries unter Leitung des Komponisten zur Aufführung. Allerdings bleibt unklar, ob es sich um WoO 30 handelt oder um die ebenfalls in Es-Dur stehende Sinfonie Nr. 3 op. 90.[ 1

Ganz sicher kam das Werk aber Ostermontag 1834 zur Aufführung, als Ries erneut zur Vorbereitung des Niederrheinischen Musikfestes in Aachen weilte und nach eigener Angabe zur Veranstaltung eines eigenen Konzerts im Vorfeld des Musikfestes gedrängt wurde:

Man hat mir so lange keine Ruhe gelassen, bis ich mich entschlossen habe, Oster Montag ein großes Concert im theater zu geben. Der ganze Verein hilft, das Pfingst Comité hat das Arrangement übernommen Die Aufführung besteht 1. Große Sinfonie in Es. M. S. [...][ 2 ]

Zwei Jahre später bittet Anton Schindler, dem die Leitung des Niederrheinischen Musikfestes 1836 übertragen worden war, Ries um die Partitur einer Sinfonie in Es; Ries antwortet am 11. April 1836:

Die Partitur meiner Sinfonie in Es steht Ihen herzlich gern, wie jede andere zu dienst. Ich habe deren aber zwey geschrieben; welche wünschen Sie, die gestochene oder die ungestochene?[ 3 ]

Schindlers Antwort ist offensichtlich nicht erhalten; und abermals geht aus Ries' die Zusendung der Partitur begleitendem Brief nicht eindeutig hervor, ob es sich um op. 90 oder WoO 30 handelt:

Hier erhalten Sie die Partitur der Sinfonie, über die ich bitte, die Hand der Kritik nicht zu scharf herfahren zu lassen, und wünsche, daß Sie Ihnen einigen Genuß giebt. Die Tempi's sind mit M. M. etc auch angezeigt, Ich wünschte, daß ich sie in einem Eckelchen auch zuhören könnte - eine Freude, die mir hier fast nie geboten wird. Daß meine Sinfonie mehr Effekt als die A dur von B. auf das Publikum machen mögte, wünsche ich auch - noch zehnmal mehr aber, daß sie es verdiente, wenn Sie mich auch hinterher auspfiffen: allein in beyden frommen Wünschen kenne ich meinen wahren Standpunkt: und bleibe geduldig sitzen.[ 4 ]

Ries' im letzten Satz anklingende Resignation wird verständlich, wenn man sich vor Augen hält, dass er im März desselben Jahres zweimal - vergeblich - versucht hatte, die noch ungedruckte Sinfonie einem Verleger anzubieten[ 5 ]; da mag ihm der Wunsch Schindlers, seine, Ries', Sinfonie möge "mehr Effekt" machen als die siebte Sinfonie von Beethoven, wie Hohn in den Ohren geklungen haben. 

Dass WoO 30 indes mehrfach zur Aufführung gekommen sein muss, wird durch Gebrauchsspuren im Autograph in Gestalt von sowohl Ziffern als auch Buchstaben zur Orientierung nahegelegt.

Bert Hagels

[ 1 ] Eine zeitgenössische Rezension (Vom Niederrhein, in: Allgemeine musikalische Zeitung XXVII [1825], Sp. 444-449; hier: Sp. 445) gibt zwar an, dass das Werk "noch Manuscript" sei; indes scheint op. 90 erst im Laufe des Jahres 1825 als Stimmdruck erhältlich gewesen zu sein. Die Kennzeichnung des dritten Satzes als "Menuett" in derselben Rezension legt op. 90 nahe; dort ist der dritte Satz mit "Menuetto moderato" überschrieben (WoO 30 hat ein "Scherzo vivace"). Jedoch sollte dem nicht zuviel Gewicht beigelegt werden; denn der zweite Satz wird als "Adagio" bezeichnet, obwohl es sich im Falle von op. 90 um ein "Larghetto quasi Andante" und in WoO 30 um ein "Andante con moto" handelt.
[ 2 ] Brief vom 11. März 1834 an Franz Gerhard Wegeler; Ferdinand Ries, Briefe und Dokumente, bearbeitet von Cecil Hill, Bonn 1982, S. 622; eine ähnlich lautende Information erhielt auch Ries' in London lebender Bruder Joseph am 27. März; vgl. op. cit. S. 625.
[ 3 ] Ferdinand Ries, op. cit., S. 715.
[ 4 ] Ferdinand Ries, op. cit., S. 716; Unterstreichung von Ries
[ 5 ] Briefe an die Verleger Böhme in Hamburg und Meyer in Braunschweig vom 15. März 1836; vgl. Ferdinand Ries, op. cit., S. 709-711.

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